Unsere Vision ist es, Brücken zwischen Forschung und Praxis zu bauen. Eine dieser Brücken ist unser Format Science Nuggets. Mit den kleinen „Forschungs-Happen“ arbeiten wir Erkenntnisse aus unseren Forschungsprojekten so auf, dass Sie einfach verständlich sind und auch direkten Bezug auf Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis nehmen.
Projekt Casablanca: Einfluss von KI-basiertem Augenkontakt auf beziehungsorientierte Online-Interaktionen
PD Dr. Thomas Bachmann & Antonia Müller
Antonia Müller und Thomas Bachmann untersuchen den Einfluss von KI-basiertem Blickkontakt auf die interpersonelle Wahrnehmung bei beziehungsorientierten Online-Videointeraktionen.
Bedingt durch COVID-19-Pandemie und den generellen Trend zur Digitalisierung haben beziehungsorientierte Online-Interaktionen z.B. in Therapie, Beratung, Coaching oder Assessment zunehmend an Bedeutung gewonnen. Neben verschiedenen technischen Herausforderungen sowie der nicht gleichzeitig möglichen körperlichen Anwesenheit in einem Raum, ist die technische Unmöglichkeit von Blickkontakt im Gespräch ein immanentes Problem von Online-Videointeraktionen. So erscheint es sinnvoll z.B. auf Basis von KI Blickkontakt zu simulieren, um den Beziehungsaufbau im Online-Setting zu unterstützen.
(Zwischenergebnisse der Prestudy - Juli 2024)
Relevanz der Forschung:
Zusätzlich zu technischen Problemen (z. B. Delay, Tonqualität, Verbindungsprobleme) sowie der nicht gleichzeitig möglichen körperlichen Anwesenheit in einem Raum, stellt die Unmöglichkeit von Blickkontakt eine Herausforderung bei beziehungsorientierten Online-Videointeraktionen dar. Forschungsergebnisse zeigen, dass die interpersonelle Wahrnehmung auf den drei Dimensionen Sympathie, Dominanz und Aktivität (nach Scholl, 2004) die Beziehungsqualität beeinflusst. Dabei spielt der Blickkontakt eine wichtige Rolle.
Daten und Methodik:
In einer Simulation von Vorstellungsgesprächen wurde der Einfluss von KI-basiertem Blickkontakt untersucht. 36 Versuchspersonen hatten die Aufgabe als „Recruiter“ jeweils zwei Interviews über Zoom mit Bewerberinnen durchzuführen, eines mit und eines ohne KI-basierten Blickkontakt (casablanca.ai). Die Bewerberinnen wurden durch zwei Schauspielerinnen simuliert. Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, die Bewerberinnen während und nach dem Gespräch einzuschätzen.
Ergebnisse:
Es konnte gezeigt werden, dass durch KI-basierten Blickkontakt starke Tendenzen in der interpersonellen Wahrnehmung relativiert werden. Wenn z.B. eine Person ohne Blickkontakt eher dominant erscheint, wird sie unter der Bedingung mit Blickkontakt weniger dominant wahrgenommen. Dies wirkt sich u. a. positiv auf die wahrgenommene Sympathie und Performance aus.
Die Nutzung von casablanca.ai zeigte bei den Versuchspersonen generell einen positiven Effekt auf die wahrgenommene Sympathie sowie auf die Performance der Gesprächspartnerin im Vergleich zur Bedingung ohne Blickkontakt.
In einer derzeit laufenden weiterführenden Studie werden diese Effekte noch einmal intensiver und systematischer in einem realen Setting untersucht.
Weitere Informationen unter: https://www.casablanca.ai
New Work oder Die Dimensionen des Organisierens
PD Dr. Thomas Bachmann & Jenny E. Jung
Welche Auswirkungen haben Veränderungen in der Arbeitswelt durch New Work-Ansätze aus einer gruppendynamischen Perspektive? Dieser Frage gehen Thomas Bachmann und Jenny Jung im Artikel „New Work oder Die Dimensionen des Organisierens“ nach. Im Artikel werden die Veränderungen der Arbeitswelt durch die New Work-Bewegung aus einer gruppendynamischen Perspektive untersucht. Dazu werden auf den Dimensionen Hierarchie, Zugehörigkeit und Intimität, Vorteile und Folgen der Veränderungen durch New Work sowohl aus der Personensicht als auch aus der Perspektive der Organisation aufgezeigt und anhand von Fallbeispielen illustriert. Die aktuelle gesellschaftliche Transformation manifestiert sich deutlich in der Arbeitswelt durch vielfältige Phänomene. Konzepte wie Agility und New Organizing bringen Veränderungen in Zusammenarbeit und Führung sowie neue Organisationsstrukturen mit sich, begleitet von einer Zunahme neuer Arbeitsformen und vertieften Digitalisierungsprozessen.
- Die Veränderungen, die New Work in all ihren Facetten und auf den Ebenen Person, Team und Organisation hervorbringt, lassen sich durch die Dimensionen Hierarchie, Zugehörigkeit und Intimität charakterisieren. Die Dimensionen sind grundlegend für die individuellen Ideale von New Work und die Ziele der Organisationsgestaltung.
- In der Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik wird angenommen, dass alle Konflikte einer Gruppe auf diese drei Dimensionen zurückzuführen sind.
- Die Dimension Hierarchie bezieht sich auf die eigene Position in der Gruppe.
Im New Work Kontext soll Hierarchie durch Organisationsformen wie Soziokratie, Holakratie und agile Organisation abgeflacht werden, die auf Selbstführung, partizipative Entscheidungsverfahren und geteilte Führung setzen und mehr Partizipation sowie Verantwortungsübernahme ermöglichen. Dies erzeugt jedoch gleichzeitig Steuerungsprobleme in der Organisation. - Zugehörigkeit betrifft die Frage, ob man dazu gehört, wo der eigene Platz in der Gruppe ist und wo die Gruppengrenzen verlaufen.
Im New Work Kontext wird die Zugehörigkeit durch Arbeitszeit- und Arbeitsort-Autonomie, Mehrfachzugehörigkeiten, netzwerkartige Organisationen und remote Work lockerer, fluider und unschärfer, was die Bindung und Identifikation der Mitglieder mit der Organisation schwächt. - Intimität beschäftigt sich mit der Frage, wie nah man sich kommen kann, wie persönlich es werden darf und ob man emotionale Sicherheit in der Gruppe erfährt.
Im New Work Kontext wird Intimität durch die Forderung, den „ganzen Menschen“ in die Organisation einzubringen, gefördert, wobei dies zu einer Vermischung von Rolle und Person und potenziell zu Übergriffigkeit, Überengagement, fehlender Abgrenzung und Erschöpfung führt.
- Veränderungen sollten durch New-Work Ansätze sorgfältig abgewogen und reflektiert werden, um sicherzustellen, dass die erhofften Vorteile nicht in neue Probleme umschlagen
- Organisationen sollten ideologiefreie Reflexionsräume schaffen, in denen Beobachtungen und Daten von Mitgliedern und relevanten Umwelten diskutiert werden können, möglicherweise unter Nutzung der drei Dimensionen von New Work
- Dies ermöglicht der Organisation, zu lernen und Anpassungen ihrer Strukturen und Prozesse vorzunehmen, um effektiver auf die sich verändernde Umgebung reagieren zu können
Bachmann, T., Jung, J. New Work oder Die Dimensionen des Organisierens. Organisationsberat Superv Coach (2023). DOI 10.1007/s11613-023-00819-1
Organisationsentwicklung an Bibliotheken
Bibliotheken sind einer tiefgreifenden Transformation unterworfen. Ihr über 5.000 Jahre alter gesellschaftlicher Sammlungs- und Bewahrungsauftrag wandelt sich: Nutzer:innen haben andere Bedürfnisse, Mittelgeber erteilen neuartige Aufgaben und die Digitalisierung verändert buchstäblich alles. Diese und weitere Dynamiken rütteln am Fundament des traditionellen Bildes eines Aufbewahrungsorts für das Wissen der Menschheit. In der Folge sind neue Kompetenzen gefordert und die Art, wie eine Bibliothek betrieben wird, muss angepasst werden.
Wie lassen sich solche Ewigkeitssysteme verändern, und wie gestaltet man Organisationsentwicklung an Bibliotheken?
- Die Bibliothek als Arena gesellschaftlicher Veränderungen muss als Institution dem Wandel gerecht werden und die Komplexität von außen im Inneren abbilden. Es besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen und technologischen Dynamiken einerseits und der Eigenzeit, den traditionellen internen Abläufen und den Arbeitsweisen der Mitarbeitenden andererseits.
- Die Anforderungen an die Bibliothek wandeln sich durch mediale Veränderungen und digitale Transformation radikal. Sie sollen den Rahmen für vielfältige Kommunikationsformate bieten und sich als Kulturort begreifen.
- Ein neuer ‚Wissensbegriff‘ geht über zu ‚Daten‘, die in elektronischer Form sammel-, speicher- und verfügbar sein sollen.
- Bibliotheken sollen physische, vor allem historische Quellen digitalisieren, um sie einer größeren Allgemeinheit zugänglich zu machen.
- Die Bibliothek der Zukunft muss digital, attraktiv für Arbeitnehmer:innen, sparsam im Ressourceneinsatz und nachhaltig werden.
- Die Zielgruppen und ihre Erwartungen und Bedarfe erweitern sich, wodurch das Serviceportfolio und -level ausgebaut werden.
- Im Zuge des Wandels der Berufsfelder innerhalb der Bibliothek zeigt sich, dass buchbezogene Themen und Spezialisierungen bei den Mitarbeitenden im Vordergrund stehen. Diese Fokussierung führt jedoch dazu, dass wichtige Veränderungsdynamiken und Entwicklungen in der Bibliothekslandschaft oft nicht ausreichend beachtet oder gar ignoriert werden. Mitarbeitende müssen daher neue Kompetenzen in den Bereichen Organisationsentwicklung, Prozess-, Kunden- und Portfoliomanagement sowie Digitale Services erlangen.
- Patriarchale Strukturen in Bibliotheken haben traditionell das Führungsprinzip geprägt, welches häufig einem starren, hierarchischen Modell folgte und in stabilen Umwelten durchaus angemessen sein kann. Die heutige Dynamik stellt diese traditionellen Strukturen in Frage. In einer sich schnell wandelnden Umwelt braucht es nicht nur agilerer Arbeitsweisen, sondern auch dazu passende Führungspraktiken, die auf Selbstverantwortung, Teamführung und Ermächtigung fokussieren.
- Die Vielfalt der Anforderungen und die Dynamik der Veränderung kann in Ewigkeitssystemen schnell zur Überforderung führen. Organisationsentwicklung an Bibliotheken fokussiert daher in erster Linie auf den Umgang mit Komplexität und Unsicherheit, auf Wandel als Führungsaufgabe und Strategiekompetenz.
- Systematische Personalentwicklung und Prozesse einer lernenden Organisation sollten in Bibliotheken ernst genommen werden, insbesondere im Bereich der digitalen Kompetenzentwicklung.
- Führungskräfte sind aufgefordert, die Dynamik im Feld in adäquater Weise in ihre Teams zu tragen und auf diese Weise das Kerngeschäft immer wieder zu hinterfragen.
- Es sollten Regelformate etabliert werden, um Austauschformate für Personen zu schaffen, die an crossfunktionalen Schnittstellen miteinander in Kontakt treten müssen. Dies fördert nicht nur das gegenseitige Verständnis, sondern hebt auch das Wissen innerhalb der Organisation.
Dies ist eine Zusammenfassung des artop-Kolloquiums vom 09.07.2024 mit Dr. Sebastian Kunert.
Virtualität in Teams
Die meisten Menschen, die in oder mit Teams arbeiten, kennen es: Mitglieder arbeiten zunehmend verteilt, haben unterschiedliche Vorstellungen von Nähe und Distanz und nutzen unterschiedlichste, zumeist digitale Kommunikationsmittel. Die technische Entwicklung bietet Teams heute viel mehr Möglichkeiten zur Kommunikation als noch vor Kurzem, als Telefon, E-Mail oder der Ruf über den Arbeitstisch die Mittel der Wahl waren. Der Wunsch nach mehr individueller Flexibilität und die steigende Komplexität der kollektiven Arbeitsabläufe führen zu Gegensätzlichkeiten und Dilemmata in den Teams.
Die Virtualität von Teams zeigt sich in drei wesentlichen Dimensionen. Erstens die Verteilung, die sowohl geografische, zeitliche als auch organisatorische Unterschiede umfasst. Zweitens betrifft dies die Mediennutzung, mit einer Vielzahl von Kommunikationsmitteln, und einem oft hohen Grad der Abhängigkeit von digitalen Technologien für die Zusammenarbeit. Drittens bezieht sich die Dimension der Diversität auf die unterschiedlichen Arbeitsprozesse, die vielfältigen Hintergründe der Teammitglieder, einschließlich ihrer sprachlichen, kulturellen und Erfahrungsvielfalt. Dabei kann festgehalten werden: Alle heutigen Teams sind in irgendeiner spezifischen Form virtualisiert. Die althergebrachte Unterscheidung zwischen traditionell in Präsenz und rein virtuell arbeitenden Teams verliert ihre Gültigkeit in Zeiten stetig wachsender Hybridität in allen Arbeitsformen.
- Das „klassische Präsenzteam“ ist nicht mehr: Ein gewisser Grad an Virtualität ist in jedem heutigen Team vorhanden, alle Teams arbeiten also „hybrid“. Der Grad der Technologieabhängigkeit kann jedoch als Unterscheidungsmerkmal bestehen bleiben.
- Virtualität ist kontinuierlich, mehrdimensional und nicht eindeutig bestimmbar, dafür abhängig von Beobachtung und Wahrnehmung, und damit in stetiger Bewegung und Verhandlung.
- Teamvirtualität ist ein bedeutender Faktor bei der Teamorganisation und -entwicklung, wird jedoch als solches nur selten konkret bearbeitet.
- Virtualität hat Auswirkungen auf individueller, gruppenspezifischer und organisationaler Ebene.
- Auf individueller Ebene spielen insbesondere Abgrenzungen zwischen Privat- und Arbeitssphäre und damit Fragen von Selbstregulation und mentaler Gesundheit eine bedeutende Rolle.
- Auf gruppenspezifischer und organisationaler Ebene stehen Teameffektivität (Sachebene) und Teamzusammenhalt/Beziehungsgestaltung (soziale Ebene) oft im Vordergrund der Betrachtung.
- Je höher der Grad an Virtualität, umso größere Herausforderungen an Führungsfunktionen bestehen.
- Grundhaltung: Hybridität ist allgegenwärtig, virtualisierte und mobile Arbeit ist neue Alltäglichkeit.
- Regelkommunikation: Formate und Medienwahl bewusst ausrichten. Allgemein:
- Information und Entscheidung eher online
- Austausch, Innovation, Entwicklung, Konfliktbearbeitung eher in Präsenz
- Werkzeuge: Passende Mittel und ihre Vermittlung für aktive Kommunikation zur Verfügung stellen sowie zentralisierte und digitalisierte Zugriffe auf Wissensstrukturen ermöglichen
- Teamzusammenhalt: Vertrauensbildende Maßnahmen unterstützen und attraktive Räume für persönliche Begegnungen an gemeinsamen Standorten ermöglichen. Subjektivität und Wahrnehmung einzelner Perspektiven anerkennen. Viel Raum für Reflektion, Feedback und Anpassung geben.
- Flexibilität: Balance aus individuellen und kollektiven Anforderungen, gemeinsamen Strukturen und individuellen Freiheiten schaffen. Gemeinsam Regeln erarbeiten, verhandeln, setzen, durchsetzen, nachhalten.
- Homeoffice: Mobile und Arbeit vor Ort harmonisieren durch verbindliches Maß an Homeoffice und Zeit vor Ort. Einzelne im Homeoffice schützen und in ihrer Selbstregulation unterstützen.
- Führung: Führungsfunktionen dezentraler denken mit mehr Optionen für Selbstorganisation und geteilter Führung. Besonderes Augenmerk auf C-Level legen, hier liegt meist die größte Belastung.
Dies ist eine Zusammenfassung des artop-Kolloquiums vom 15.05.2024 mit Jonas Görtz. Eine Präsentation des Kolloquiums steht hier zum Download zur Verfügung.
Wenn mehr Ganzheit gefordert wird – Agile Teams und ihre Personen.
Matthias Csar, PD Dr. Thomas Bachmann, Katherina Bravo & Carolin Heemann
Die Autor:innen untersuchen das Wechselspiel zwischen Person und Rolle und dessen Auswirkungen auf die Teamarbeit. Es wird argumentiert, dass narzisstische Persönlichkeitsmerkmale die Teamarbeit beeinträchtigen können, insbesondere in agilen Teams, wo eine höhere persönliche Beteiligung erwartet wird. Sie präsentieren Ergebnisse einer explorativen Datenanalyse aus einem eigenen Forschungsprojekt, die zeigen, dass eine zu starke Fokussierung auf einzelne Personen negativ auf die Teamleistung wirkt.
Die Analyse führt zu dem Schluss, dass Organisationen genau hinsehen sollten, wenn sie mit der Erwartung werben, sich im agilen Team oder in New Work Organisationen „voll und ganz als Mensch einbringen zu können“. Die Analyse zeigt einen negativen Zusammenhang zwischen Teamleistung und narzisstischen Persönlichkeitsmerkmalen, während ein positiver Zusammenhang mit Merkmalen wie Extraversion und Gewissenhaftigkeit besteht, die für agiles Arbeiten als hilfreich angesehen werden. Die aktive Beteiligung der Teammitglieder ist sowohl eine Voraussetzung als auch ein Risiko für die Teamentwicklung und -leistung, insbesondere in Bezug auf die Interaktion zwischen Anzahl und Länge der Redebeiträge bei narzisstischen Persönlichkeiten.
Organisationen sollten daher genau hinsehen, wenn sie eine umfassende Beteiligung am agilen Arbeiten fördern, da dies zu Dominanzverhalten und Belastungen im Team führen kann. Agilität kann für einige Personen als Zumutung empfunden werden, während sie für andere eine Bestätigung von narzisstischen Anteilen darstellen kann, was zu einem toxischen Ausleben von Individualität und Ganzheit im Arbeitskontext führen kann.
- In diversen Teams ist es entscheidend, ein Umfeld zu schaffen, das unterschiedliche Persönlichkeiten und Arbeitsstile vereint. Wenn im Team die personen- die rollenbezogene Kommunikation dominiert, ist fundiertes Wissen über Gruppenarbeit wesentlich (Kühl 2019).
- Agile Teams erfordern nicht nur organisatorische Rationalität und klare Orientierung, sondern auch die Fähigkeit, Ungleichgewichte und Unsicherheiten zu bewältigen. Teammitglieder und das Team als Ganzes müssen in der Lage sein, informelle Einflussunterschiede anzusprechen und gemeinsam reflexive Selbststeuerungsmöglichkeiten zu entwickeln (Zepke 2021).
- Moderationsrollen können helfen Interaktionen zu lenken und möglicherweise auch narzisstische Persönlichkeitsanteile zu mildern. Neben den Freiheiten von New Work und agilen Teams sind (Lern-)räume wichtig, um den Umgang mit organisationaler Entgrenzung individuell sowie sozial und gruppendynamisch zu verstehen.
- In solchen Räumen können Teams die Auswirkungen von Teamzusammensetzung, Umfeld und Aufgabentyp und das Zusammenspiel zwischen Persönlichkeit und Rollenerwartung reflektieren. So entwickeln sie die Fähigkeit zur Selbstregulation und -steuerung, um mit verschiedenen Persönlichkeitstypen und ihrem Zusammenwirken umzugehen.
Csar, M., Bachmann, T., Bravo, K. et al. Wenn mehr Ganzheit gefordert wird – Agile Teams und ihre Personen. Gr Interakt Org (2023).
DOI https://doi.org/10.1007/s11612-023-00719-z
Die Bedeutung des Teamklimas in Relation zu Organisationskultur, Führungsrepertoire und Motivation
Dr. Sebastian Kunert & Sarah Dittmann
Die Autor:innen untersuchen anhand von zwei aufeinander aufbauenden Studien, welchen Beitrag gut konstituierte Teams für den Erfolg von Organisationen leisten. Dazu werden die Ergebnisse einer Fragebogenstudie in zwei Teilen berichtet: Während zunächst das Teamklima und seine einzelnen Facetten in Bezug auf den Unternehmenserfolg betrachtet werden, zielt die zweite Teilstudie auf eine integrative Perspektive ab und analysiert die Gruppenebene in Bezug auf drei weitere Konstrukte in einer Organisation – Kultur, Führung und Mitarbeitendenmotivation.
Teilstudie 1: Die Bedeutung von Teams für den Organisationserfolg
In der ersten Teilstudie liegt der Fokus auf dem Teamklima und seinen folgenden vier Facetten in Bezug auf den Organisationserfolg. Die Zusammenhaltsförderung dreht sich um die Bindungskraft zwischen den Gruppenmitgliedern, die Ergebnisförderung bemisst die Verbindlichkeit nach außen, die Innovationsförderung thematisiert den Mut in der Gruppe, sich Neuem zu öffnen, und die Qualitätsförderung symbolisiert den Anspruch an die Güte der Arbeitsresultate im Team.
Die Ergebnisse der empirischen Studie bestätigen zunächst die Annahme eines signifikanten Zusammenhangs zwischen einem guten Klima auf Gruppenebene und dem Unternehmenserfolg, was im Einklang mit anderen Untersuchungen steht. Schaut man etwas tiefer in das Konstrukt, dann fällt die hohe Korrelation zwischen den vier Facetten auf. Dies lässt darauf schließen, dass die Teilnehmenden der Befragung nur schwer zwischen den verschiedenen Aspekten unterscheiden können. Entgegen anderslautenden Meinungen legen die Daten nahe, dass das Teamklima doch als Gesamtkonstrukt zu behandeln ist.
Teilstudie 2: Die Bedeutung des Teamklimas im Vergleich zur Organisationskultur, zum Führungsrepertoire und zur Mitarbeitendenmotivation
Die Ergebnisse der zweiten Teilstudie zeigen, dass die Gruppenebene im Vergleich zur Organisations- und Individualebene für den Unternehmenserfolg weniger bedeutend ist. Sie reihen sich in die lange Tradition der Forschungslinien ein, die die kulturellen Aspekte für den Erfolg eines Unternehmens betonen. Der gemeinsame Wertekatalog einer Organisation, der das Handeln aller Mitarbeitenden leitet, ist äußerst wichtig. Die individuelle Motivation spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für den Erfolg und wird durch diese Daten sogar noch betont, was ihre Bedeutung in der innerorganisationalen Aufmerksamkeit unterstreicht.
- Stärkung leistungsbezogener Werte und Normen: Die Stärkung beeinflusst die Gesamtperformance der Organisation positiv. Diese Intervention ist jedoch oft langwierig und mit mäßigem Erfolg verbunden, da Kulturstandards tief in die Grundhaltungen der Mitarbeitenden eingebettet sind.
- Positive Beeinflussung der Motivation: Die positive Beeinflussung der Motivation aller Mitarbeitenden ist empfehlenswert, obwohl dieses Feld scheinbar an Bedeutung verloren hat. Dennoch gibt es aus der Forschungstradition einen umfangreichen Wissenskanon, der in zahlreichen Publikationen für die Praxis verfügbar ist.
- Abkehr von überzogenen Selbstwirksamkeitserwartungen für Führungskräfte: Führungskräfte sollten sich bewusst sein, dass ihr Handeln deutlich stärker von kulturellen Aspekten bestimmt ist als oft angenommen. Zudem sollten sie ihr Verhalten an den Erfordernissen der Geführten ausrichten, um ihrer Funktion in der Organisation gerecht zu werden.
- Berücksichtigung situativer Führungsansätze: Es gibt umfangreiche Erkenntnisse zu Konzepten wie ethischem, authentischem und dienlichem Führungsverhalten (servant leadership) sowie Hinweise zur besonderen Rolle von Leitungskräften in selbstgesteuerten, agil arbeitenden Organisationen.
Kunert, S., Dittmann, S. (2020). Die Bedeutung des Teamklimas in Relation zu Organisationskultur, Führungsrepertoire und Motivation. Organisationsberatung, Supervision, Coaching. DOI: 10.1007/s11613-020-00647-7
Führung & Beratung in lose-gekoppelten Systemen - Wie sich Netzwerk-Organisationen steuern und verändern lassen
Lose-gekoppelte Systeme zeigen sowohl Eigenschaften einer konventionellen Organisation (Systemaußengrenze, Hierarchie, Kernprozesse,...) als auch eines Netzwerks (verbundene autonome Elemente). Man findet sie häufig im sozialen Feld, unter Wissenschafts- und Bildungsorganisationen oder auch im kulturell-künstlerischen Bereich wieder. Es sind Gebilde wie ein Octopus, dessen acht Arme über ein jeweils eigenes Gehirn verfügen, autark fungieren und wo das Zentralgehirn nur zur Koordination gebraucht wird. Wird einer der Arme bei einem Angriff geopfert, lebt der Rest weiter.
Organisationen, die Eigenschaften lose-gekoppelter Systeme aufweisen, sind faszinierende Gebilde: vielschichtig, innovativ und äußerst resilient. Sie zu führen ist allerdings nicht leicht, da sie sich einem direkten Zugriff weitestgehend verwehren. Noch schwerer ist es, sie zu verändern. Schier unmöglich ist es, sie zu beraten. Es beginnt mit der einfachsten und zugleich schwersten aller Fragen: Wer ist eigentlich mein Client?
Theoretisch betrachtet handeln es sich bei (teil)autonomen Institutionen um hoch eigenständige und identifizierbare Einheiten, die durch eine hohe Differenzierung gekennzeichnet sind. Ihre Interaktionen sind sporadisch und anlassbezogen, und sie haben nur eine geringe Anzahl von direkten Verbindungen. Diese Institutionen sind informell und wenig formalisiert, was zu einer reduzierten Co-Abhängigkeit führt. Ihre Integration und Kohärenz sind gering, und sie balancieren zwischen der notwendigen Autonomie und der nützlichen Interdependenz. Es ist schwer, sie zu fassen, da sie in einer gegenseitig beeinflussten Umwelt operieren.
Leitdifferenzen Beratung:
- Selbständigkeit vs. Einbindung: Einheiten wollen oft selbständig sein, aber sie müssen auch mit anderen zusammenarbeiten.
- Individuelle Ziele vs. Gesamtziele: Die Ziele der einzelnen Einheiten sollten mit den Zielen der gesamten Organisation in Einklang gebracht werden.
- Macht und Ohnmacht: Es gibt oft verschiedene Machtverhältnisse zwischen den Einheiten, die fokussiert werden sollten.
- Transparenz vs. Diskretion: Es ist wesentlich, transparent zu sein, aber auch sensible Informationen zu schützen.
- Vielfalt vs. Einheitlichkeit: Es braucht Gleichgewicht zwischen Anpassungsfähigkeit und einheitlichen Standards.
- Individuelle Freiheit vs. zentrale Vorgaben: Es muss entschieden werden, wie viel Freiheit einzelne Einheiten haben und wie viel zentral geregelt wird.
Berater:innen, die lose gekoppelten Systeme unterstützen, sollten folgende Aspekte im Auge behalten:
- Erschaffe dir deinen Clienten: Die Bedürfnisse und Herausforderungen der Kund:innen stehen im Fokus und die Beratung wird dementsprechend gestaltet.
- Arbeite mit Promotor:innen: Es ist sinnvoll, Unterstützung innerhalb des Systems zu identifizieren, die als Befürworter der Veränderungen wirken können.
- Agilität: Flexibles Agieren und Offenheit für spontane Anpassungen und Improvisationen, anstatt starr an einem Plan festzuhalten.
- Systementwicklung durch Organisationsentwicklung: Der Fokus liegt darauf, das gesamte System zu entwickeln, anstatt nur einzelne Teile zu optimieren. In diesem Rahmen werden Teilinstitutionen und Kollaborationen unterstützt und gefördert.
- Netzwerkentwicklung durch kollaborative Projekte: Initiieren und supporten von Projekten, die die Vernetzung und Zusammenarbeit innerhalb des Systems fördern.
- Erhebung: Soziale Netzwerkanalyse: Empfehlenswert sind Methoden wie die soziale Netzwerkanalyse, um die Beziehungen und Interaktionen im System zu verstehen und optimieren.
- Intervention: Großgruppenveranstaltungen: Es sollte auf Interventionen wie Großgruppenveranstaltungen gesetzt werden, um breite Partizipation und Engagement zu ermöglichen.
- Ambiguitätstoleranz & Geduld: Geduld und Toleranz gegenüber Ungewissheiten und Widerständen im Veränderungsprozess sind wichtig.
Dies ist eine Zusammenfassung des artop-Kolloquiums vom 20.03.2024 mit Dr. Sebastian Kunert.
Kann Beratung bleiben, wie sie ist?
Herbert Schober-Ehmer
Krise war immer, auch Konflikte waren schon immer. Aber der gesellschaftlich-historische Kontext der aktuellen Krisenphase unterscheidet sich radikal von den vergangenen Dynamiken. Die Krisenbewältigungskonzepte der vergangenen ca. 300 Jahre waren (mind.) von drei zentralen Ideen getragen: (1) mit dem Postulat der 'Vernunft' kann sich die Menschheit und das Individuum von schicksalhaften Abhängigkeiten befreien, (2) mit technischen Innovationen und industriellen Produktionsbedingungen kann man sich nun tatsächlich die „Erde untertan“ machen, (3) mit der Idee des Kapitalismus, des freien Marktes und des damit verbundenen unbegrenzten Wachstums kann das Versprechen des Fortschrittes realisiert werden. In der Zukunft wird es – zumindest für die nächste Generation – immer besser. Diese Versprechen erodieren nun, die damit verbundenen Kosten übersteigen die Gewinne und mit der Klima-Katastrophe wird unmissverständlich sichtbar, dass diese Fortschrittsideen – trotz gesellschaftlicher Reichtümer - das zerstören, von dem unser Überleben auf diesem Planeten abhängt.
Wenn Bekanntes und Bewährtes „durcheinanderwirbelt“, wird Vertrautes nicht mehr zu erkennen oder zu entdecken sein. Ob das „Nicht-mehr“ als Verlust bewertet wird, hängt von der jeweiligen Perspektive der Beobachterin, des Beobachters ab. Das, was verloren geht, kann gegenwärtig beobachtet, erlebt und gespürt, also benannt werden; welche Chancen sich jedoch damit für die Zukunft entfalten, was Neues entstehen wird, kann (noch) nicht gesehen, nur (zur Beruhigung) behauptet werden. Ungewissheit pur.
Brüche sind „eigendynamisch“, überfluten, unterminieren ungesteuert Gewissheiten, Brücken des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
In Frage gestellt wird…
- das Vertrauen in den Ausgleich, das Vertrauen auf eine bessere Zukunft.
- die „alte“ Zuversicht, den Problemüberschuss – die sich überlagernden und verstärkenden Krisen – überhaupt bewältigen zu können.
- die Differenzierung der Gesellschaft als funktionalen soziologischen Prozess zu verstehen und das Spaltungsnarrativ bewältigen zu können.
- die Hoffnung, dass der neoliberale „Rückzug“ in ein narzisstisches Lebenskonzept (Ich-AG) überwunden wird und „man“ wieder an gemeinsamen Lösungskonzepten arbeiten kann.
- das Vertrauen in Institutionen und in den demokratischen Prozess einer liberalen Demokratie.
- die Hoffnung auf eine bessere Balance zwischen ökonomischen Einkommens- und Chancenunterschieden.
- das kurz wirksame Vertrauen in wissenschaftsbasierte Erkenntnisse.
- das Vertrauen in ein nachvollziehbares und akzeptiertes Balancieren von Autonomie, der Verantwortung des Individuums und der Verantwortung einer Solidargemeinschaft.
- das Vertrauen auf einen inhaltlichen Interessensausgleich, auf argumentative Kommunikationsprozesse, in denen Fragen von Befindlichkeit und Identität vernunftbasiert verhandelbar sind.
- die Zuversicht unseres Wirtschaftssystems, damit Wirtschaftsorganisationen und unser Gesellschaftssystem auf Basis der 17 Sustainable Development Goals der UNO transformieren zu können.
- die Zuversicht, die Gesellschaft vom Leitmotiv der individuellen und kollektiven Selbst-Entfaltung auf das Leitmotiv der Selbst-Erhaltung (Anpassung) umstellen zu können.
- die Zuversicht, dass die inhärente innovative Dynamik der modernen kapitalistischen Gesellschaft (Wirtschaft, Technologie, Politik, Bevölkerung) die Zerstörung der Lebensgrundlage in angemessener Zeit bewältigen kann.
- die Hoffnung, dass unsere politische Steuerung, die eine nachhaltige Klimapolitik vorantreiben will, nicht an kulturellen Grenzen scheitert, wenn „Mäßigung“ – d.h. Veränderung von Konsum- und Lebensgewohnheiten – erforderlich wird.
- die Hoffnung, dass die während der letzten 300 Jahre entstandenen Strukturen der kapitalistischen Moderne in ein neues, d.h. unbekanntes, noch nicht vertrautes Gesellschaftskonzept transformiert werden könnte, und zwar rasch und radikal.
- der Stolz auf die Einzigartigkeit unseres Gedächtnisses, unserer Form der Intelligenz, Kreativität und vor allem unserer Entscheidungsfähigkeit (was bedeuten die Fortschritte der KI für die Steuerungsaufgaben von und die Verantwortung in Organisationen).
Es werden Pläne geschmiedet, Kinder geboren, Bäume gepflanzt, Häuser gebaut,… Die immanente Kraft des Lebens nähren weiterhin den Glauben, dass sich am Ende doch alles fügt, durch vernünftiges, konsistentes Handeln, durch kausale Mechanismen, durch angemessene Einsichten und durch kognitive Kontrolle. Die „Autopoiese des Lebens“ ist stärker als jedes Narrativ der Verzweiflung. Das Leben weiß um die Kraft und Dynamik der Ungewissheiten. Lebenswille und Lebenslust sind der praktisch wirksame Gegenentwurf zu den gleichzeitig beschworenen apokalyptischen Ängsten, zu den verunsichernden Mehrdeutigkeiten. Und es erhöht sich die Bereitschaft, sich für alternative Lebens- und Gesellschaftskonzepte einzusetzen. In mehr als 140 Ländern waren und sind die Mitglieder der neuen Generation bereit, ihre Vorstellungen und Forderungen auf der Straße zu verdeutlichen. Eine „ökologische Klasse“ (Bruno Latour) entsteht. Aus dieser Gegenbewegung zur Ohnmacht, ausgestattet mit Ungewissheitskompetenz, werden vertraute Formate der Kommunikation, Koordination und Steuerung für eine neue Selbstermächtigung genutzt.
Beratung kann sich entscheiden, dabei eine stützende Rolle zu spielen. Denn sie weiß um die grundsätzlichen Funktionen, die ein Organisieren erst möglich machen. Hier gilt es, die Forderung in modernen, agilen Organisationen nach Transparenz, Offenheit, Feedback, Befragbarkeit, autonomer Verantwortungsbereitschaft ernst zu nehmen. Also die bisherige Praxis, das Interventionsrepertoire und Formate der Prozessberatung fortzusetzen. Zugleich sollte Beratung nach wie vor Anwalt der Ambivalenz sein, das Spiel mit Paradoxien beherrschen: Beweglichkeit und Stabilität, standardisieren und flexible Antworten zulassen, erneuern und Identitäten erhalten, beschleunigen und entschleunigen, vorwärtsschreiten und innehalten, Hierarchie und Selbstorganisation. Erst das ‚und‘ schafft die Stabilität in der Beweglichkeit, ist die Voraussetzung, um Interessenvielfalt, Widersprüche und Konflikte konstruktiv zu nutzen.
Dies ist eine Zusammenfassung des artop-Kolloquiums vom 23.02.2023 mit Herbert Schober-Ehmer und Dr. Sebastian Kunert.
Das Zusammenspiel von Humor und psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz
Zahlreiche Studien haben die psychologische Sicherheit als einen der zentralen Bausteine erfolgreicher Teamarbeit identifiziert. Das führt zu der Frage, wie man psychologische Sicherheit in Teams befördern kann. Ein potenzieller Faktor für psychologische Sicherheit, der in der Literatur häufig übersehen wird, ist Humor. Psychologische Sicherheit im Team wird definiert als eine Teamqualität, die den Teammitgliedern die Sicherheit gibt, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Hier kann Humor oder genauer gesagt, der Versuch, humorvoll zu sein, als eine Form der zwischenmenschlichen Risikobereitschaft und somit als ein Prädiktor für psychologische Sicherheit angesehen werden.
Mit Hilfe eines multimethodischen Ansatzes wurden 36 reale Shared-Leadership-Teams (N = 201 Teammitglieder) in einer virtuellen Umgebung untersucht. Auf Grundlage von Fragebögen sowie Beobachtungsdaten zeigen die Ergebnisse, dass die psychologische Sicherheit eines Teams umso höher ist, je mehr positiver Humor (Humor bezogen auf das Gesamtteam, Dinge, Aufgaben oder Sonstiges etc.) vorherrscht. Andererseits berichteten Teams, die einen hohen Anteil an aggressivem Humor (sich selbst bzw. andere abwerten) aufweisen, über ein geringeres Maß an psychologischer Sicherheit. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Humor in die Liste der etablierten Prädiktoren für psychologische Sicherheit von Teams aufgenommen werden sollte und dass Humor tatsächlich ein wichtiger Faktor für das Arbeitsklima ist, der weiter untersucht werden muss.
Die Studie stellt den Einfluss von positivem Humor auf das Klimas der psychologischen Sicherheit in Teams vor. Sie zeigt, dass Humor, der sich gegen Teammitglieder richtet (aggressiver Humor), dazu führen kann, dass die psychologische Sicherheit abnimmt.
- Teammitglieder und Führungskräfte sollten lernen, zwischen positivem und aggressivem Humor zu unterscheiden.
- Teammitglieder und Führungskräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Wahl des Ziels von humorvollen Äußerungen einen wesentlichen Einfluss auf das Teamklima hat. Sie sollten versuchen, ihren Humor auf das gesamte Team, auf die Dinge, an denen sie gemeinsam arbeiten, oder auf Themen, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun haben, zu richten (positiver Humor).
- Die Rolle von Humor und das Entstehen von psychologischer Sicherheit in Teams sollte auch Gegenstand von Führungskräftetrainings sein.
Dies ist die Zusammenfassung einer bei artop betreuten Masterarbeit:
Köhler, R. (eingereicht am 13. Oktober 2022) How Benign and Aggressive Humor Predict Psychological Safety in Teams. Humboldt-Universität zu Berlin unter Betreuung von PD Dr. Thomas Bachmann und Prof. Dr. Christine Gockel. Forschungsdesign und Datenerhebung unter der Betreuung von Katherina Q. Bravo.
Online-Meetings: Fluch und Segen eines digitalen Kommunikationsformats
Team-Besprechungen, Beratungsgespräche und selbst Coachings werden seit der Corona-Pandemie vielfach online durchgeführt. Digital vermittelte Kommunikation ermüdet jedoch viel schneller als Kontakt in Präsenz. Woher kommt die Zoom-fatigue und wie können virtuelle Meetings trotzdem gut gelingen?
Die Integration verteilt dargestellter Informationen erfordert im Digitalen eine höhere kognitive Kraftanstrengung als in Präsenz. Forschende rund um den Standford-Professor Jeffrey Hancock haben 2020 in einer Studie mit mehr als 10.000 Teilnehmenden die Erschöpfungsphänomene in Zoom empirisch nachweisen können und begründen sie mit der Aussage: „Video Konferenzen erfordern intentionale Aufmerksamkeit, um nonverbale Signale zu erzeugen als auch zu interpretieren, was normalerweise unbewusst und anstrengungslos geschieht.“ Das hat Folgen, wie andere Wissenschaftler:innen belegen konnten. In virtuellen Räumen sind die Teilnehmenden weniger kreativ, körperlich angestrengt, vielfach abgelenkt und wenig auf einander bezogen.
- Die Mischung machts: Formate, die v.a. kreativen Output generieren oder auf das soziale Miteinander einzahlen sollen, veranstaltet man besser in Präsenz. Treffen, die eher technischer oder administrativer Natur sind, lassen sich gut online umsetzen.
- Pausen: In online Meetings alle 45min eine Pause, spätestens jedoch nach 1h. Das hilft, die Augen zu schonen, sich zu bewegen und digitalen Ablenkungen nachgehen zu können (Mails, Chats usw.).
- Regeln: Online meetings brauchen mehr Vereinbarungen als Präsenz-Formate. Absprachen zu Ziele, Agenda, Pausen und Umgang mit Störungen schaffen die nötige Orientierung.
- Technik: Videokonferenzen mit schlechter Technik sind ein Grauen. Sorgt für Bandbreite, Rechenpower und gute Visualisierungen.
Publikation zum Thema:
Kunert, S. Online-Meetings: Fluch und Segen eines digitalen Kommunikationsformats. Organisationsberat Superv Coach 29, 463–472 (2022). https://doi.org/10.1007/s11613-022-00789-w
Veränderungsprozesse erfordern Spezifität, Oszillation, Integration & Intensität
Dr. Sebastian Kunert & Dr. Stephan Bedenk
Change-Management hat viele Facetten, von der Initiierung über Fragen der Beteiligung bis hin zur Evaluation. Über allem steht die Anforderung einer hinreichend komplexen Planung. Nach welchen Prinzipien setzt man ein Veränderungsprojekt auf?
Durch die Verschränkung von Interventionsebenen und -formaten wie Führungscoachings, Teambuilding und Organisationsentwicklungsworkshops erhofft man sich eine potenzierte Wirkung, deren Ausmaß die Summe der Einzeleffekte übersteigt. Die Gefahr liegt in der Überforderung der Organisation durch mangelnde Beherrschbarkeit. Mehrere Interventionsebenen so miteinander zu verzahnen, dass sie sich gegenseitig befruchten statt behindern, ist kein einfaches Unterfangen. Projektarchitekturen sind ein probates Hilfsmittel zur Planung, entlehnt aus dem klassischen Projektmanagement. „Gute Architekturen von Beratungsprozessen erleichtern neue Sichtweisen, ermöglichen vielfältige Perspektiven, führen neue Unterschiede ein und eröffnen neue Beobachtungs- bzw. Reflexionsmöglichkeiten“ fassen es die Autoren Königswieser und Exner zusammen. Acht systemische Prinzipien helfen dabei, ein komplexes Veränderungsprojekt aufzusetzen, vier davon stellen wir hier vor.
- Spezifität: Die Versuchung liegt nahe, mit einer one-size-fits-all-Lösung das gesamte Projekt mit demselben Verfahren bzw. mit denselben Beratern zu lösen, um Komplexität aus dem Projekt herauszunehmen. Entwicklungsvorhaben bei Einzelpersonen müssen methodisch jedoch ganz anders angegangen werden als auf der Team- bzw. der Organisationsebene. Erst kommt der Bedarf der Beteiligten, dann die Verknüpfung im Projekt.
- Oszillation: In komplexen Organisationsentwicklungsvorhaben ist es enorm wichtig, dass sich die Institution und das Projekt von Zeit zu Zeit gegenseitig darüber unterrichten, welchen Veränderungsprozess sie jeweils gerade durchleben und worauf sie zusteuern. In der Projektarchitektur sollten sich daher divergente Formate der Themenöffnung, Tiefung und Erarbeitung mit konvergenten Methoden, die der Vergemeinschaftung, der Rückmeldung und dem Schließen dienen, abwechseln, wodurch es zu einer Oszillation kommt.
- Integration: Gefahr lauert in der Separierung einzelner Teilprojekte. Die Verzahnung sollte in allen Teilsystemen einer Organisationsentwicklung erfolgen. Dies lässt sich bspw. durch personelle Überschneidungen erreichen. So können Gremien mit denselben Personen mehrfach besetzt oder Themen in verschiedenen Formaten bzw. Personenkonstellationen bearbeitet werden.
- Intensität: Zu Beginn eines Organisationsentwicklungsprozesses dominieren sehr grundsätzliche Fragen. Thema, Weg, Ziel und Umsetzungsformen müssen gefunden, verifiziert und kommuniziert werden und erfordern anfänglich hohe Intensität, um genügend akzelerierende Kräfte freizusetzen (Lewin, 1947). Die Intensität kann dann im Laufe des Organisationsentwicklungsprozesses sukzessive abnehmen, desto mehr das Neue in den Regelbetrieb integriert ist.
Publikation zum Thema:
Kunert, S., Bedenk, S. Mehrebenen-Ansätze – Komplexe Projektarchitekturen in der Organisationsentwicklung. Organisationsberat Superv Coach 28, 243–254 (2021). https://doi.org/10.1007/s11613-021-00704-9
Veränderungsprozesse erfordern Phasen, Kaskadierung, Agilität & Irritation
Dr. Sebastian Kunert & Dr. Stephan Bedenk
Change-Management hat viele Facetten, von der Initiierung über Fragen der Beteiligung bis hin zur Evaluation. Über allem steht die Anforderung einer hinreichend komplexen Planung. Nach welchen Prinzipien setzt man ein Veränderungsprojekt auf?
Viel hilft nicht immer viel. Die Komplexität eines Programms zur Organisationsentwicklung muss für die Beteiligten handhabbar bleiben, sonst verlieren sie sich im Chaos. Projektarchitekturen erzeugen Überblick, Orientierung und Beherrschbarkeit. Acht systemische Prinzipien helfen dabei, ein komplexes Veränderungsprojekt aufzusetzen, vier davon stellen wir hier vor.
- Phasen: Was wir gemeinhin als Change bezeichnen, die Bewegung eines Systems hin zu einem erwünschten Soll-Zustand (Move), findet nicht schlagartig statt. Sie ist eingebettet in eine Vorbereitungsphase, die die Bereitschaft und Fähigkeit zur Veränderung erst ermöglicht (Unfreeze), und in eine Phase der Nachhaltigkeitssicherung (Refreeze). Ein solcher Dreischritt aus Vorbereitung, Veränderung und Nachbereitung verläuft keineswegs sequentiell und einmalig ab.
- Kaskadierung: Eine häufige Einstiegsfrage bei komplexen Wandelprozessen lautet: Wo fängt man an? Glasl (2020) unterscheidet Top-down von Bottom-up-Ansätze sowie die Mischformen. Der Reiz bei komplexen Projektarchitekturen liegt darin, mehrere Strategien verfolgen zu können. So lassen sich unter der Überschrift einer neuen Innovationskultur ein Leitbildprozess vom Management her, die Entwicklung eines Ideenmanagements aus der Führungsebene sowie ein Organisationsklima-Prozess aus der Belegschaft heraus simultan initiieren. Wichtig ist nur, dass die jeweilige Strategie ihre Entsprechung in der Architektur findet, indem sowohl die notwendigen Formate angelegt als auch die Integration gesichert werden.
- Agilität: Jede Architektur ist die Landkarte für ein Gebiet, das die Organisation noch nicht kennen und erst durch das „Tun“ kennenlernen. Sie sind notwendigerweise nur eine Hypothese und können bestenfalls richtungsweisend sein. In diesem Sinne sind sie nicht in Stein gemeißelt, sondern agil. Sie verändern sich mit jeder neuen Erfahrung, die Klienten- und Beratersystem gemeinsam machen.
- Irritation: Im Prozess lernen Mitarbeiter/innen einer Organisation sich (z. B. im Coaching), ihr Team (z.B. in Teamworkshops) oder ihre Organisation (z. B. in der Großgruppe) neu kennen. Ein wichtiges Element guter Architekturarbeit ist dabei die abgestimmte Balancierung von Anschlussfähigkeit und Andersartigkeit über den Prozess hinweg. So sollte es einzelne Projektelemente geben, die tendenziell eher das Gewohnte bedienen, um Sicherheit und Vertrauen zu stärken, sowie andere Formate, die der Irritation in all ihren produktiven Formen dienen, ohne jedoch die Organisation zu überfordern.
Publikation zum Thema:
Kunert, S., Bedenk, S. Mehrebenen-Ansätze – Komplexe Projektarchitekturen in der Organisationsentwicklung. Organisationsberat Superv Coach 28, 243–254 (2021). https://doi.org/10.1007/s11613-021-00704-9
Hatte Elon Musk doch recht? Sollten wir alle zurückkehren in das Prä-Corona Office Setting?
PD Dr. Thomas Bachmann & Katherina Bravo
Zur Beantwortung dieser Frage in Bezug auf Teamarbeit untersuchten Bachmann, Bloch und Bravo (2022) in einer Studie 54 Arbeitsteams. Alle Teams waren Teil von Organisationen und existierten seit mindesten einem halben Jahr. Zum Untersuchungszeitpunkt im Jahr 2021 hatten alle bisher umfangreicher Erfahrungen mit der Remote-Arbeit via Zoom etc. gemacht. Für die Studie hatten die Teams die Aufgabe, ein komplexes Problem zu lösen, bei dem es auf intensive Kommunikation und gemeinsames Denken ankam. Dabei wurde die Kommunikation aufgezeichnet, weiterhin mussten vor und nach der Aufgabe einige Fragebögen beantwortet werden.
Der Vergleich zwischen Teams, die remote arbeiteten und denen, die die Aufgabe in Präsenz lösten ergab folgende Unterschiede:
- Die Mitglieder der Remote-Teams erlebten die Aufgabenbearbeitung als signifikant psychisch und physisch anstrengender und monotoner als die Mitglieder der Präsenzteams
- In den Remote-Teams war die Anzahl der Redebeiträge signifikant geringer, bei signifikant größerer Dauer gegenüber den Präsenzteams.
- Die Remote-Teams waren signifikant schlechter bei der Lösungsqualität der Aufgabe gegenüber den Präsenzteams.
Natürlich ist diese Erkenntnis nicht pauschal auf alle Arten von Zusammenarbeit übertragbar. Die Autoren legen nahe, dass vor allem Kommunikationsanlässe, bei denen es auf die Qualität der Interaktion ankommt, wie Situationen, in denen die Gruppe komplexe Probleme lösen, Entscheidungen treffen oder kreative Konzepte entwickeln soll, in Präsenz geplant werden. Wenn solche Anlässe dennoch im virtuellen Raum stattfinden sollen, dann sollte eine kompetente Moderation, ein entsprechendes Workshopdesign oder entsprechende Tools zur Verfügung stehen und den Prozess unterstützen, um die Probleme des Remote-Settings zu kompensieren.
Publikation zum Thema:
Bachmann, T., Bloch, A. & Quispe Bravo, K. (2022). Teamarbeit in Präsenz vs. remote – Unterschiede im individuellen Erleben, der Kommunikation und der Teamleistung. Organisationsberatung Supervision Coaching. DOI 10.1007/s11613-022-00787-y
https://doi.org/10.1007/s11613-022-00787-y
Psychologische Sicherheit und Kommunikationsmuster in Teams. Und was hat das Ganze wirklich mit Team Performance zu tun?
Katherina Bravo & Matthias Csar
Jüngste Forschung zeigt, dass Führung eine essenzielle Rolle spielt, wenn es um die Wahrnehmung psychologischer Sicherheit im Team geht. In Anblick der zunehmenden Komplexität entstehen neue Formen der Teamarbeit, wie Selbstorganisation, geteilte Führung oder agile Projektteams. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie psychologische Sicherheit entsteht, wenn Hierarchie abgeschafft wird, Führung dezentralisiert wird und dadurch gruppendynamische Prozesse zu Tage kommen. Und was haben diese gruppendynamischen Prozesse und psychologische Sicherheit dann noch mit Team Performance zu tun?
Forschungsergebnisse aus unserer Studie zeigen, dass psychologische Sicherheit beeinflusst, wie aktiv sich Teammitglieder an Gruppendiskussionen beteiligen. Darüber hinaus tragen die eigene Identifikation mit dem Team sowie die individuelle Leistungserwartung maßgeblich zur Entwicklung psychologischer Sicherheit bei. Aus der gruppendynamischen Praxis lernen wir, dass Teams erst einmal gemeinsam einen Weg durch die Unsicherheit beschreiten müssen, um eigene Wahrnehmungen adäquat ansprechen zu können und im Dialog Beziehungszusammenhänge beleuchten und verstehen zu können. Erst wenn dies gelingt, wird soziale Orientierung in einer Gruppe und das Etablieren eines gemeinsamen psychologisch sicheren Klimas möglich.
- Selbstreflexion als Basisfähigkeit: Gewohnheit im Team entwickeln, regelmäßig „über sich selbst nachzudenken“
- Team Identität stärken: Wer sind wir? Worin unterscheiden wir uns und was vereint uns?
- Subjektive Teamleistung stärken: Erfolge feiern, über Misserfolge sprechen, gemeinsames Lernen: was können wir beim nächsten Mal besser machen?
- Neugier für Unsicherheit und Standhalten widersprüchlicher Situationen bzw. Erwartungen
- Einlassen auf Beziehungsaufbau und -entwicklung bei gleichzeitiger reflexiver Selbstdistanz
Wie das in der Forschung manchmal so ist: Entgegen unserer Hypothese konnten wir keinen statistischen Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit, Kommunikationsmuster und Team Performance nachweisen. Daher werden wir im nächsten Jahr erneut eine Studie durchführen und weitere Team-relevante Aspekte in Betracht ziehen. Wer Interesse hat an der Studie teilzunehmen, kann sich gerne melden unter forschung@artop.de
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