Willkommen im Dschungel der Organisation: Abhängig Beraten – Das spannende Feld der internen Organisationsberatung

Willkommen im Dschungel der Organisation

Warum bin ich nach der Moderation der Vorstandsklausur so erschöpft? Wie nah darf ich als interne:r Berater:in an die Führungskraft heran, wenn ich um die angespannte Lage in der Abteilung durch die Teams weiß? Folge ich konsequent dem mir übertragenen Mandat – oder setze ich eigene Impulse?

Diese Fragen kennen viele Organisations- und Personalentwickler:innen in internen Rollen. Als Teildisziplin der Organisationsberatung eint die Interne Beratung manches mit „Externen“ – und folgt zugleich eigenen Logiken: Mitgliedschaft, Nähe zur Organisation, (Mit-)Betroffenheit, Loyalitäten, Umsetzungsrolle und Grenzen prägen ihr Berufsprofil. Genau darum geht es in diesem Artikel. Er beleuchtet die Paradoxien der Inhouse-Consultants und zeigt praktische Handlungsoptionen für den Alltag.

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1.    Neues altes Feld: Die interne Organisationsberatung

Die interne Organisationsberatung (IOB), auch Inhouse Consulting genannt, hat sich in den letzten Jahrzehnten als eigenständiges Feld etabliert. Angaben zu ihrer Verbreitung gehen weit auseinander. Sie reichen von einem Nischenphänomen (Deelmann, 2024) bis hin zu einer Dominanz auf dem Beratungsmarkt (Krizanits, 2011). Während die Organisationsberatung früher hauptsächlich durch externe Dienstleister geprägt war, verfügen heute ein Großteil von Unternehmen, aber auch viele Verwaltungen, öffentliche Organisationen und Mittelständler über interne Beratungseinheiten.

Während interne Beratungen Mitte der 1990er noch als verlängerte Werkbank externer Consultants galten, begleiten sie inzwischen umfangreiche Veränderungsprojekte und decken ein breiteres Aufgabenspektrum ab, von klassischer Managementberatung über Expertenberatung (bspw. zu Wertschöpfungsketten, Agilität oder IT), Changemanagement, Projektmanagement und Strategie bis hin zu Prozessberatung und systemischer Organisationsentwicklung. Damit sind sie auf Organisations-, Gruppen- und Personenebene sowohl Initiatoren als auch Umsetzer von Transformationsprojekten, Restrukturierungen oder neuer Strategieentwicklungen, aber auch bei Konfliktklärungen, Teamentwicklungen und als Coach tätig. Zugleich häufen sich Beschreibungen der IOB wie „reflexive Selbstvergewisserung der Organisation“ oder „selbst auferlegte Systemdifferenz in der Organisation“ (Klein 2006). Die IOB soll der Organisation dabei helfen, blinde Flecken zu beleuchten und Widersprüche offenzulegen, was Hierarchien von sich aus kaum leisten können. Laut dem Organisationswissenschaftler Falko von Ameln (2015) avanciert interne Beratung zum „Schlüsselelement der Wandlungsfähigkeit von Organisationen“, indem sie Lernprozesse koordiniert sowie zwischen zentralen Steuerungsnotwendigkeiten und lokalen Realitäten vermittelt. Die IOB lässt sich somit als institutionalisierte Selbstbeobachtung von Organisationen verstehen, wobei die interne Beratungsabteilung als Irritationsfigur im System fungiert, die Veränderungsimpulse liefert, aber auch selbst umsetzt und realisiert.

Vom Reiz der Doppelbindung

Die IOB agiert als auf Dauer gestellte, verfügbare Ressource für Organisationsentwicklung, ist unkompliziert abrufbar, beginnt ohne langen Vorlauf mit der Arbeit und ist zudem vergleichsweise günstig. „Interne Berater:innen gelten als Diagnoseexperten. Dies verweist auf ihr Eingebundensein in die Organisation. Dadurch besitzen sie spezielle Feldexpertise und Systemkenntnis. Man schreibt ihnen einen Kulturvorsprung zu und bedingt dadurch eine höhere Anschlussfähigkeit an das System. Interne Berater:innen kennen sich schlicht in dem Unternehmen, in dem sie zu Hause sind, gut aus.“ so die Beraterin Joanna Krizanits (2011).

Im Vergleich zur externen Beratung erzeugt die Rolle des „Internen“ besondere Ambivalenzen, die viele Inhouse Consultants als Rollenkonflikte oder Zerreißprobe beschreiben. Diese betreffen häufig ihre Doppelzugehörigkeit: Einerseits ist die IOB in ihrer Fachlichkeit und Ethik der Profession der Beratung verpflichtet, andererseits ist sie durch ihre Organisationsmitgliedschaft in die Zwänge und Logiken ihres arbeitgebenden Systems eingebunden. Dadurch entsteht ein inhärentes Spannungsfeld und etliche Kontextvermischungen, die zu gegenteiligen Handlungsimpulsen führen und ein tägliches Balancieren von Widersprüchlichkeiten im Beratungsalltag erfordern:

  • Abhängigkeit und Unabhängigkeit: Wie kann Beratung als abhängige Person im System gelingen? Wie initiiert man Veränderungen, von denen man selbst betroffen ist oder die auf einen zurückwirken?
  • Nähe und Distanz: Wenn man selbst Teil des Systems ist, wie funktionieren dann Distanzierungsmechanismen? Wie erhält sich Objektivität, wenn die Probleme der Klient:innen möglicherweise die gleichen sind, wie die eigenen?
  • Engagement und Mandat: Wo verläuft die Grenze zwischen produktiver Eigeninitiative und Beratschlagung der Organisation? Wieviel Mandat und Führungsverantwortung braucht die IOB eigentlich, um wirksam zu werden?
  • Schutzpatron und ultimativer Klient: Wer hält die Hand über die IOB, wenn sie das System irritiert? Kann sie sich auf das Wohlwollen des Top-Managements verlassen, wenn sie zugleich deren Handeln und ihre Kompetenzen hinterfragt?

2.    Magnetismus und Paradoxien: Wenn Pole sich anziehen und zugleich abstoßen

Abhängigkeit vs. Unabhängigkeit: Wem gilt meine Loyalität?

Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen interner und externer Beratung ist die Zugehörigkeit zur Organisation. Mit jeder Einstellung gehen Verhaltenserwartungen an die Person, welche sich aus ihrer Aufgabe ergeben und die das Organisationsmitglied erfüllen muss, um Teil des Systems bleiben zu dürfen. Wachsende Verbundenheit und Identifizierung mit der Organisation fördert dann bei Mitarbeitenden Engagement und Leistung; bei schwindender Leistung hingegen kann die Mitgliedschaft mit niederwertigen Aufgaben an den Rand der Organisation geschoben oder gar beendet werden. Organisationszugehörigkeit bleibt also ein Spiel im Erfüllen von Erwartungen und der Gratwanderung, wieviel Leistung genug ist, um im System gut leben zu können, ohne sich zu verausgaben.

Auch die IOB ist in diese Logik eingebunden. Bspw. werden High Performer häufig zu Führungskräften oder ins Inhouse Consulting befördert. Gründe dafür sind ihre nachgewiesene Leistung, ihre Integrität gegenüber der Organisation sowie ihre Netzwerke und Kenntnisse rund um den Organisationszweck (von Ameln & Heintel, 2016). Ist die IOB in die Hierarchie formal eingebettet, sind die eigenen Vorgesetzten häufig sowohl Auftraggebende als auch Arbeitgeber:in und potenzielle Klient:in  zugleich. D.h. dieselben Personen, die Beratung suchen, bewerten fachlich den Erfolg bzw. Misserfolg der Dienstleistung und entscheiden über Aufgaben, Informationszugänge, Entwicklungsmöglichkeiten und Gehalt. Im Gegenzug ist die Organisation abhängig von ihrer internen Beratung, da die betreffenden Personen nicht einfach gegen einen anderen Anbieter ausgetauscht werden können. Es gibt kein Kontaktende, man bleibt aneinander gebunden. Auf diese Weise bleiben aber auch alle Selbstoffenbarungen, vertraulichen Informationen, Peinlichkeiten und Kenntnisse über Irrwege und Verfehlungen beider Seiten im System.

Diese Einbettung führt zu so mancher Zwickmühle. Ein Beispiel dazu: Eine Inhouse Consultant coacht ein Team und es zeigt sich im Prozess, dass Entscheidungen folgen, die nicht im Sinne einer darüberliegenden vorgesetzten Instanz laufen. Gerade dieser Instanz ist die Beraterin aber rechenschaftspflichtig. Für sie entfaltet sich hier ein Spannungsfeld: Wem bin ich loyal, welchem Klienten fühle ich mich primär verpflichtet – der ratsuchenden Einheit, den Vorhaben der Organisationsspitze oder den eigenen Führungskräften? Solange die Interessen übereinstimmen, ist alles in Ordnung. Sobald sie auseinandergehen, entsteht die Zerreißprobe.

Doch nicht nur die hierarchische Abhängigkeit, sondern auch die Zuschreibungen durch andere Organisationsmitglieder beeinflussen die Wirksamkeit der IOB: Erkennt man Organisationen als mikropolitische Arenen an, wundert es nicht, wie interne Berater:innen von Kolleg:innen mitunter als Spione bestimmter Machtzentren misstrauisch beäugt oder umgekehrt, als Verbündete instrumentalisiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die IOB gezwungen ist, Entscheidungen durchzusetzen, die nicht ihren eigenen Empfehlungen entsprechen oder notwendige Koalitionen einzugehen, wodurch sie schnell den Status der Allparteilichkeit einbüßt. Auch externe Beratung ist vor diesem Phänomen nicht gefeit. Sie kann ihre Arbeit jedoch wieder beenden und verschwindet spätestens mit Projektabschluss aus der Organisation. Bei der IOB geht die Arbeit dann weiter: Nachsorge in Folge von Restrukturierungen, Coaching bei Rollenveränderungen, Beratung bei Zielkonflikten u.v.m. Für die interne Beratung gilt das „Gesetz des Wiedersehens“ (Krizanits, 2011), weshalb sie – mehr als Externe – auf ihre Reputation achten und ihren Nutzen für alle Beteiligten unter Beweis stellen müssen.

Wie gelingt eine unabhängige Beratung der IOB frei von hierarchischer Weisung, wenn sie von eben dieser mandatiert und in ihrer Wirksamkeit bewertet wird? Hier steht die strukturelle Abhängigkeit im Widerspruch zur Unabhängigkeit der Beratungsprofession. „Beratung ist ein höchst ‚kontextsensitives‘ soziotechnisches Instrument: Wie ein Streichholz unter Wasser verliert sie ihre Wirksamkeit, wenn die kommunikative Umgebung nicht stimmt.“ (Looss, 1998), d.h. eine Befreiung von Eigeninteressen der beratenden Person ist fundamentale Voraussetzung für ihre Produktivität. Eine zentrale Herausforderung der IOB liegt darin, glaubwürdige Unabhängigkeit aufzubauen, obwohl sie organisatorisch abhängig ist, und Mandate exakt auf die eigene Voreingenommenheit, aber auch die der Klienten hin zu prüfen.

Nähe vs. Distanz: Der Versuchung widerstehen, dem Sog der Organisation zu folgen, und doch ein Teil von ihr bleiben

Die Wirksamkeit von Beratung hängt wesentlich von der Fähigkeit ab, Vertrauensbeziehungen zum Auftraggebenden aufzubauen. Vertrauen fungiert als kommunikatives Kapital, das Interaktionen stabilisiert, Risiken reduziert und die Anschlussfähigkeit für Interventionen erhöht. Interne Beratende bewegen sich sozial und kulturell in der eigenen Organisation, was Vertrauen fördert und tiefe Organisationskenntnisse mit sich bringt. Als Mitarbeitende teilen sie Organisationskultur, informelle Netzwerke, oft eine eigene Historie mit der Organisation oder dienen dem Zweck der Organisation mitunter als persönliche Sinnaufgabe. Die IOB hat an dieser Stelle einen Vorteil gegenüber externen Beratenden, der zugleich die Gefahr der Betriebsblindheit und des unbewussten Reproduzierens der organisationalen Muster birgt (Wright, 2009). Die Rolle der fremden Instanz wird mit zunehmender Organisationszugehörigkeit herausfordernder. Innerhalb der IOB bilden sich – wie überall in der Organisation – lokale Rationalitäten aus, die ihre ganz eigene Sicht der Dinge entwickeln und ihre Realität der Organisation konstruieren. Diese Systemimmanenz führt dazu, dass sie die blinden Flecken der Klienten oft nicht mehr wahrnehmen, weil es zugleich ihre eigenen sind.

Klientenseitig ist Nähe ebenfalls durchaus tückisch: Auch die Kolleg:innen der beratenden Einheit neigen dazu, interne Berater:innen als Teil ihres Teams zusehen. So berichten IOB, dass es teilweise schwierig sei, sich am Projektende wieder zurückzuziehen, da die Linie sie gern weiter als zusätzliche Ressourcen einbindet, sie zu „Dauervertrauten“ machtoder fortwährende Sparringspartner:innen von Führungskräften bzw. deren Interimsmanager werden. Die professionelle Distanz, aus der Beobachterposition heraus zu agieren, verschwimmt dadurch, die IOB wird zum Quasi-Teammitglied (Kenton & Mood, 2003).

Die Nähe-Distanz-Paradoxie zeigt sich auch darin, dass die IOB mit heiklem Insiderwissen umgehen muss. Häufig wissen sie um interne Konflikte, Fehler und Schmutzwäsche. Wenn sie dieses Wissen transparent nutzen, riskieren sie Vertrauen; schweigen sie, geraten sie in professionelle Integritätskonflikte, welche die prozessberaterische Arbeit begrenzen. Zu sagen, „was ist“, die Dinge beim Namen zu nennen, dysfunktionale Muster ans Tageslicht zu heben und Klient:innen mit Feedback zu versorgen, ist Kern beraterischer Tätigkeit. Manchen internen Beratenden schlägt daher anfängliches Misstrauen entgegen: Die Klient:innen fragen sich, ob sie „dicht halten“ oder Informationen an andere weitertragen. Dieses Misstrauen kann in Ablehnung umschlagen – oder in übersteigerte Verehrung, wenn man sie als Verbündete gegen die Hierarchie sieht. Der österreichische Philosoph und Gruppendynamiker Peter Heintel sagt, interne Beratung sei in alle Gerüchte und Geschichten verstrickt, die Externen fremd bleiben. „Das kann bei nötiger Distanzfähigkeit große Vorteile bringen, nur diese fällt nicht immer leicht.“ (1998). Die Nähe zum operativen Geschehen lässt die IOB mitschwingen, was im Extremfall ihre Allparteilichkeit, folglich die Fähigkeit zum Erkennen dysfunktionaler Muster und blinder Flecken unterminiert. Der interne Berater identifiziert sich womöglich so stark mit dem Bereich, den er berät, dass er dessen Perspektive übernimmt und die Distanz zum Rest der Organisation – und sogar zum eigenen Beratungsteam – verliert.

Professionelle Beratung sucht die explizite Fremdheit, denn sie fungiert als irritierendes Moment; sie bietet neue Unterscheidungen an und unterstützt dabei, vorhandene Probleme neu zu sehen. Sie widersteht der Versuchung, zu beratschlagen, wenn auf der Klientenseite die Lösung noch nicht gesehen wird. Die IOB braucht also im Balancieren dieser Paradoxie Ausflugsziele zum Distanzpol, ohne die Zugehörigkeitzu verlieren: Wenn sich intern Beratende zu sehr als „Fremde“ gerieren, gefährden sie das Vertrauen ihrer Klient:innen.

Engagement vs. Auftrag: Verbesserungssehnsüchte und nüchternes Mandat

Als Organisationsmitglieder haben interne Berater:innen meist ein hohes Engagement für ihre Organisation und identifizieren sich stark mit dessen Erfolg. Sie erleben Missstände unmittelbar und verspüren den Drang, aktiv an Verbesserungen mitzuwirken – auch jenseits formal erteilter Aufträge. So können sie, bedingt durch ihren vielfältigen Einsatz an unterschiedlichen Stellen der Organisation, zu allen Hierarchie-Ebenen jederzeit Entwicklungsbedarfe in die Organisation einspeisen oder auch zurückhalten.

Als Betroffene initiieren sie eigeninitiativ Veränderungsvorhaben. Teilweise wird ihnen dies durch ihre Vorgesetzten und Auftraggebenden implizit in ihren Auftrag geschrieben: Change-Management-Einheiten sollen grundsätzlich Transformation treiben, Strategie-Teams grundsätzlich für Innovations- und Zukunftsfähigkeit sorgen und OE-Abteilungen grundsätzlich das Lernen und die Entwicklung der Organisation stimulieren. Dieses Generalmandat ist jedoch i.d.R. nicht mit Führung, also mit Entscheidungsmacht, ausgestattet, sondern schwebt als Anspruch über der IOB, ohne konkretisiert, mandatiert oder mit ausreichend Ressourcen ausgestattet zu werden. So finden sich in Organisationen häufig Projekte zu Learning Development oder Führungsentwicklung, die von der IOB initiiert wurden und die einen akuten Bedarf im System adressieren, aber ungebunden zur Organisationsführung und oft auch ohne Sponsor durch die Organisation treiben.

Solche Initiativen lassen sich als Engagement oder Aktivismus werten und sind eine viel genutzte Kulturtechnik des komplexen Problemlösens (Schmelzer, 2024). Dabei wird die intrinsische Motivation der Beteiligten genutzt, um einen Status Quo zu verändern und mittels Überzeugungsarbeit oder Konflikteskalation Veränderung im System herbeizuführen. Agiert die IOB aus diesem Modus, ist sie der Organisation als Ganzes verpflichtet, nicht nur einer spezifischen Klientin. In der Folge bedeutet dies, dass die IOB ihr proaktives Handeln auch auf Initialfeuerwerke und Anmaßungen prüfen muss. Eigeninitiative, die nicht in einen Auftrag mündet, führt zu Aktionismus. Engagement braucht den Auftrag als Legitimation und zur Orientierung

Aufträge ohne Eigeninitiative dagegen versanden im Strudel des Alltaggeschäfts. Weil Beratung ein Beziehungsgeschäft ist und auf Co-Kreation mit dem Klientensystem beruht, lässt sie sich weder verordnen noch vollumfänglich kontrollieren. Aufträge sind auf das Engagement der IOB angewiesen, da sich keine vollumfängliche Leistungsbeschreibung formulieren lässt, die nur noch abgearbeitet werden muss. Erst aus dem Zusammenspiel von Engagement und Auftrag erwächst wirkungsvolles beraterisches Handeln.

In diesem Zusammenhang spielt das Selbstverständnis der IOB eine Rolle: Fühlen sie sich als bloße Dienstleistende, dann werden sie passiv Aufträge abarbeiten, die zumeist aus dem Führungssystem stammen. Dann droht ihnen, Teil dessen zu werden und als Quasi-Leitungskräfte wahrgenommen zu werden.Verstehen sie sich dagegen als Mitgestalter:innen der Organisation, agieren sie im Rahmen eines „Generalauftrags zur Gestaltung des Systems“ (Krizanits, 2011). Letzteres führt zu mehr Wirkung, bringt die Betroffenen aber ins latente Risiko. Scheitert das Vorhaben oder eskaliert die Lage, machen sie sich schuldig und die Leitungsspitze immunisiert sich gegenüber Kritik. Dieser Umstand erfordert die Rückendeckung durch Führung, sonst verbrennen sie die IOB. Der s.g. „Credible Activist“ (Ulrich, 2007) impliziert, dass interne Beraterung zugleich glaubwürdig – im Sinne der Organisation handelnd – als auch aktivistisch und meinungsstark auftritt. Diese Rolle zeichnet aus, dass sie proaktiv für Verbesserungen eintritt und keine Scheu vor Konflikten hat. „Sie findet den Maßstab für ihr Tun nicht in konkreten Vorgaben, Aufträgen und Erwartungen der Umwelt“ (ebd.), sondern orientiert sich an der eigenen Expertise, an einem professionellen Selbstverständnis und einem übergeordneten Gestaltungsauftrag fürs Gesamtsystem. Mit anderen Worten: Beratungsqualität wird nicht nur daran gemessen, ein Mandat zu erfüllen, sondern auch daran, das Richtige zu tun, um dem System zu dienen.

Damit ist ein weiterer Spagat aufgespannt: Eine zu engagierte IOB kann als Übergriff auf Managementprivilegien wahrgenommen werden. Andererseits wird ein rein auftragsbasiertes Handeln möglicherweise als mangelnder Arbeitswille interpretiert. Bei Engagement bedarf es diplomatischer Navigationskompetenz, wann etwas für eine Organisation und das Führungsteam sachlich, sozial und zeitlich stimmig ist und wann es potenziell der gesamten Reputation der IOB schadet.

Schutzpatron vs. ultimativer Klient: das ambivalente Verhältnis zum Top- Management

Wenn die interne Beratung ihre Aufgabe ernst nimmt, wird sie das System immer wieder mit sich selbst konfrontieren und dadurch irritieren. Das dient dem Wohl der Organisation, gefährdet aber die Reputation der Beratenden. Dann ist es um so wichtiger, dass die Führungsspitze ihre schützende Hand über die IOB hält und sie fortwährend öffentlichkeitswirksam mandatiert. Ohne die Unterstützung und das klare Commitment zu der Idee eingegliederter Beratung und der Art ihres Wirksamwerdens, verbrennen sich die Betroffenen und es dauert nicht lang, bis die entsprechende Einheit wieder aufgelöst wird oder die Menschen sich umorientieren. Paradox wird es, wenn eben jene Schutzpatronen „ins Visier“ der IOB geraten, sie also in ihrem Handeln und ihren Kompetenzen von eben jenen Personen hinterfragt werden, die doch eigentlich in ihrem Sinne die Organisation verändern sollen.

Eigentlich sind die Rollen klar verteilt: Beratung beobachtet, spiegelt zurück, teilt ihr Wissen und unterstützt Prozesse der Veränderung. Führung dagegen entscheidet, orientiert, integriert und setzt Veränderungen durch (Krizanits, 2010). Beide Rollen könnten sich gegenseitig optimal unterstützen.

Personen in Spitzenpositionen haben jedoch naturgegeben ein äußerst ambivalentes Verhältnis zu Beratung (Kunert, 2025). Als Auftraggebende (Sponsor) planen, aktivieren und kontrollieren sie die IOB. Dies impliziert, dass sie als Stabilitätsgaranten in turbulenten Zeiten Orientierung geben, Halt bieten, den Überblick behalten und Sicherheit suggerieren. Irgendwer sollte über den Dingen stehen und die Institution im Notfall vor dem Scheitern bewahren. Als Betroffene (Klient) sind Top-Führungskräfte aber zugleich selbst potenzieller Gegenstand beraterischer Intervention und aufgefordert, die eigene Rolle, gängige Verhaltensmuster und etablierte Sichtweisen zu hinterfragen. Wegen ihrer herausgehobenen Position, die sie unentwegt in der Beobachtung durch andere hält, sind Personen im Top-Management jedoch nur bedingt in der Lage, zu experimentieren, Veränderungen zu testen, Grenzen auszuloten oder sich auszuprobieren. Zusätzlich unterminieren Entscheidungen zum Richtungswechsel früher getroffene und als richtig postulierte Setzungen. Sie tragen damit das Risiko des Gesichtsverlustes in sich. Und während die IOB der Organisation verpflichtet ist, gilt dies nur eingeschränkt für Top-Führungskräfte. Sie folgen eher den Erwartungen jener Personen, die sie ins Amt gehoben haben (Gesellschafter, Kuratorium, Aufsichtsrat, übergeordnete Behörde, Mitgliederversammlung, Mittelgeber oder Volksvertretung) und denen sie rechenschaftspflichtig sind.

In der Folge ist die Versuchung groß, sich den Fängen der internen Beratung zu entziehen. Veränderungsanforderungen fallen bei den Geführten an, wandeln müssen sich immer die anderen. Wenn sich das Top-Management jedoch selbst nicht als Klient betrachtet und die IOB zudem auf deren Wohlwollen angewiesen ist, wird sie um diese Personen herum beraten. Dies setzt der internen Beratung Grenzen und macht eine Kooperation mit Externen notwendig. Für Letztgenannte gilt das Prinzip der inhaltlichen wie auch temporären Begrenzung, was sie zu Vertrauten auf Zeit macht, denen man sich besser öffnen kann im Wissen um das absehbare Ende der Zusammenarbeit.

Umgekehrt muss sich die IOB ausreichend vom Top-Management distanzieren, um in der Organisation nicht als deren verlängerter Arm, Sprachrohr und Handlanger wahrgenommen zu werden. Zugleich darf sie nicht an den Interessen der Führungsspitze vorbei intervenieren, wenn sie als nutzstiftend und somit unterstützungswürdig erachtet werden möchte.

3.     Das Bearbeiten der Paradoxien

Die analysierten Widersprüchlichkeiten sind charakteristisch für das Arbeitsfeld interner Beratung – sie lassen sich nicht lösen, wohl aber konstruktiv handhaben. Zum Abschluss soll skizziert werden, welche Entwicklungsansätze sich eröffnen, um mit diesem vielseitigen Rollenprofil umzugehen. Dazu werden vier Aspekte beschrieben:

  1. Arbeit am Auftritt und der Rollenprofessionalität
  2. Lernen und Distanzieren im Team/Netzwerk
  3. Entwicklung einer Beratungsethik
  4. Professionalisierung der Auftraggebenden und der IOB-Führungsrolle

Arbeit am Auftritt und der Rollenprofessionalität

Die britische Beraterin Barbara Kenton und ihre Kollegin Diane Moody bestätigten 2003 in einer Studie zur Rolle interner Beratung, dass Inhouse Consultants, um überhaupt Gehör zu finden, häufig verschiedene Rollen spielen – was zu Unschärfen in ihrer Fremdwahrnehmung führt. Eine Möglichkeit, mit diesem Dilemma umzugehen, ist das bewusste Spiel mit Rollenprofilen. Hier nützt Erving Goffmans Theateranalogie: Schauspieler eignen sich, je nach Stück, Publikum und Kontext, eine Rolle an, entwickeln eine Figur, unterschiedlich temperiert, charakterlich ausgestaltet, in einer passenden Sprache und Tonalität. In seiner soziologischen Untersuchung erläutert der Autor, wie ebenso Menschen in sozialen Situationen stets in einer bestimmten Rolle auftreten und dort eine „Fassade“, also eine Inszenierung aus Bühnenbild, Erscheinung und Verhalten - präsentieren. Im s.g. Impression Management wählen sie jene Informationen und Darstellungsweisen aus, die bei ihrem „Publikum“ den gewünschten Eindruck hinterlassen. Folgt man Goffmans Theorie, ist der Wechsel von Rollen keine Beliebigkeit, sondern professionelles Verhalten in unterschiedlichen Erwartungskontexten.

Auch die IOB agiert – wie oben beschrieben - auf der Organisationsbühne in wechselnden Rollen und wechselt teilweise mehrfach im Tagesverlauf zwischen diesen. Mal wird ihre Expertise für eine Fachfrage gebraucht, mal agieren sie als Prozessbegleiter:in, mal als Mediator:in in Konflikten. Die Beratung inszeniert bewusst eine Rolle, um maximale Wirksamkeit zu erzielen. Dazu gehört sowohl eine äußere, sichtbare Veränderung (z.B. in Form von formeller oder informeller Kleidung, Sprache, Auftreten) als auch eine unterschiedliche innere Verbindung mit dem Gegenüber (Grenzen der Vertraulichkeit, Abgrenzung/Zuwendung zur Fragestellung, Kollegialität, Wahl der Kulturtechnik etc.). Sie hängt nicht an einer starren Rollenidentität, sondern „spielt“ situativ diejenige Figur, die den potenziell größten Effekt erzielt; die bewusst erdacht und ggf. geprobt wurde. Beim nächsten Klienten tritt dann eine andere zugeschnittene Rolle auf die Bühne - wohl wissend, dass dies eine gewisse Diskontinuität in der Fremdwahrnehmung bedeuten kann. Wandelbarkeit wird so zur Kernkompetenz: die IOB ist jederzeit in der Lage, ihre Perspektive zu wechseln – vom “critical friend” des Projektteams zum Sprachrohr der Geschäftsleitung und zurück.

Zugleich braucht es ein konsistentes, glaubwürdiges, professionelles Selbst der IOB. Gelingt es der beratenden Person nicht, hinter den verschiedenen Fassaden ein stimmiges Wertefundament und eine einheitliche Professionalität erkennen zu lassen, droht der Vertrauens- und schließlich Reputationsverlust. Impression Management ist daher nicht als Täuschung zu verstehen – vielmehr als bewusst gestaltete Selbstdarstellung, die eigenen Fähigkeiten und Absichten kontextabhängig und situativ klar zu vermitteln. Wie eine Schauspielerin entwickelt die interne Beraterin einen eigenen Stil und kann zugleich verschiedenste Figur interpretieren und damit unterschiedliche Wirkungen beim Publikum erzielen.

Lernen und Distanzieren im Team/Netzwerk

Auch Goffmans Ausführungen zum Ensembles nutzen der IOB: Mit einem Team (oder Netzwerk-Kolleg:innen) kann auf der Hinterbühne reflektiert und überlegt werden, was auf der Vorderbühne passiert und funktioniert. Hier findet vertraulicher Austausch und Lernen statt – das, was eine professionelle IOB benötigt, um sich in der Rollenvielfalt nicht zu verheddern, Korrektur und Reflexion des eigenen blinden Flecks zu erfahren, gemeinsame Hypothesen und Beobachtung 2. Ordnung zu sammeln.

Das Ensemble bietet zudem die Möglichkeit, mit Paradoxien in verschiedenen Personenkonstellationen umzugehen. Zum Beispiel kann ein internes Beratungsteam bewusst Doppelrollen besetzen – etwa je einen Berater, der stärker die Perspektive des Managements wahrt, und einen, der die Mitarbeiterperspektive einbringt, um Allparteilichkeit im Duo herzustellen. Barry Johnsons Konzept des Polarity Managements bietet dazu einen weiteren Ordnungsrahmen: Statt sich für einen Pol zu entscheiden (z. B. entweder Nähe oder Distanz), gilt es, beide Pole gleichzeitig zu würdigen und auszubalancieren. Professionelle interne Berater:innen denken und handeln in Polen – mal näher dran und zugleich mit kritisch-distanzierter Haltung; loyal zum Auftraggeber und zugleich empathisch mit den Betroffenen; dem System verpflichtet und zugleich unabhängig im Urteil. Johnson betont, dass bei jedem Pol attraktive Pluspunkte und potenzielle Schattenseiten existieren. Die Kunst liegt darin, die Pluspunkte beider Pole zu kombinieren, während man die jeweiligen Schatten reguliert. Bspw. zeigt die interne Beraterin Engagement (Plus: Veränderungsenergie), sollte aber darauf achten, nicht zur überidentifizierten Eiferin zu werden (Schattenseite). Ebenso soll sie Neutralität bewahren (Plus: Vertrauen bei allen Seiten), ohne zur eiskalten Unbeteiligten zu erstarren (Schattenseite). In der Kombination mit einem Ensemblemitglied hieße das: Ein Berater begleitet die Klientin eng (Nähe), während eine zweite Beraterin mit Abstand Qualität sichert (Distanz) – in der Arbeit im Team werden beide Perspektiven institutionalisiert und damit vereinbar.

Auch Rotationsprogramme, in denen interne Berater:innen nach einigen Jahren zurück in Linienfunktionen gehen und neue Kolleg:innen aus der Linie ins Beratungsteam kommen, sind gelebtes Paradoxienmanagement. Sie verhindern einerseits dauerhafte Nähe und fördern andererseits die Verständigung zwischen Beratungs- und Linienperspektive, wenngleich der Ausblick auf eine spätere Führungstätigkeit in der Linie die Vertraulichkeit als Berater:in gefährdet.

Regelmäßige kollegiale Beratung und externe Supervision sind zudem Pflicht-Instrumente für eine Professionalisierung der IOB. Solche strukturierten Reflexionsschleifen helfen, aus dem operativen Sog herauszutreten und bewusst gegenzusteuern, falls ein Pol in einer Paradoxie überbetont wurde. Zudem helfen solche Formate den Betroffenen bei der individuellen Selbstregulation und Resilienzfähigkeit, da ein Großteil der Paradoxien nicht strukturell, sondern durch die Person aufgefangen, ausgehalten, innerlich verhandelt und kompensiert werden muss.

Entwicklung einer Beratungsethik

Hierarchien neigen dazu, Widersprüche durch Entscheidung für einen Pol zu eliminieren, um Eindeutigkeit und Orientierung zu erzeugen. Wie bei allen Formen des Paradoxiemanagements (Richter & Groth, 2025) ist der dahinterliegende Widerspruch auf diese Weise allerdings nicht aufgelöst, lediglich die Handlungsfähigkeit kurzzeitig wieder hergestellt.

Auch Beratung an sich ist widersprüchlich und fordert stets, mehr als eine Seite zu berücksichtigen. Die Wahl eines Poles – neutral oder parteiisch, nah oder distanziert, Auftrag oder Initiative – ist ein probates Mittel, wird dem komplexen Beratungsalltag in Organisationen aber nicht gerecht (Heintel, 1998). Das bewusste Oszillieren zwischen den Polen einer Paradoxie ist also eine weitere Schlüsselfähigkeit der IOB. Ein produktiveres Paradoxienmanagement betrachtet die Wechselwirkungen der Pole, widersteht dem Entscheidungszwang für eine Seite und schafft Raum für kreative Lösungen. Methoden dazu sind die Arbeit mit dem Paradoxiezirkel (Richter & Groth, 2025) oder dem Tetralemma sowie die Erstellung einer Polarity Map (Johnson, 1992) bzw. eines Interessenspanoramas. Kleine Praxishinweise sind ebenso nützlich:

  • In der Auftragsklärung werden Erwartungen und Bedingungen der Beratung so verhandelt, dass ein ausreichendes Mandat resultiert, welches Führung und IOB gleichermaßen orientiert.
  • Ein:e Berater:in macht zu Beginn eines Prozesses beim Klientensystem transparent, welche widersprüchlichen Erwartungen sich im Dreieck Auftraggeberschaft – Beratung – Betroffene niederschlagen.
  • Anstatt nur externe oder interne Beratung einzusetzen, werden beide komplementär beauftragt („make and buy”).
  • Anstatt streng vertraulich im Stillen zu agieren oder alles transparent zu machen, arbeitet man in halboffenen Formaten – bestimmte Themen sind offen für alle sichtbar, anderes vorläufig diskret im Hintergrund.

All dies findet eine Basis in einem mit dem IOB-Team erarbeiteten Leitbild. Darin können die zentralen Widersprüche nach außen vermittelt werden (z.B.: „Wir bewegen uns zwischen Vertrauenskultur und kritischer Distanz“). In einer solchen professionellen Beratungsethik wird sichtbar, dass jeglicher Beratungsauftrag frei von persönlichen Interessen ist und Unbestechlichkeit als zentraler Wert das beraterische Handeln leitet (Looss, 1998). Selbst beim Überschreiten des eigenen Auftragsrahmens als Credible Activist steht das Wohl der Organisation im Vordergrund und kann mit dem Selbstverständnis begründet werden. Eine kontinuierliche Kommunikation über die Spannungsfelder der IOB macht allen Beteiligten die Dauer-Dualitäten bewusst. Ganz praktisch kann das auch bedeuten, in jedem Workshop die Beratungsrolle und das Beratungsverständnis eingangs zu benennen: “Heute bin ich in der Rolle des Moderators, nicht des Entscheiders. Ich agiere unter der Auftraggeberschaft von xxx mit diesem umrissenen Beratungsmandat!” etc.

Und zu guter Letzt: Auch die reflektierten Kenntnisse über die eigenen Stärken, Kompetenzen, Grenzen und Verführbarkeiten sind wesentliche Gelingensbedingungen für ein nachvollziehbares, integres Gesamtbild der Beratungsperson trotz permanenter Rollenwechsel. Mit Mut und Bedacht einen Auftrag auch abzugeben oder abzulehnen, stärkt den Unabhängigkeits- und Distanzpol. und die so wichtige Unverfügbarkeit in Beratung (Bachmann, 2025).

Professionalisierung der Auftraggebenden und der IOB-Führungsrolle

Die ehemalige interne Beraterin und heutige Professorin Virginia Bianco (1985) bezichtigt die interne Beratung, in einer Zwickmühle gefangen zu sein: Zu vorsichtig wirken sie zu angepasst, zu kritisch werden sie als illoyal eingestuft. Diese Spannung verschärft sich durch die strukturelle Abhängigkeit vom Auftraggebenden, die sich in hierarchischen Machtasymmetrien und loyalitätsinduzierten Einschränkungen der Beratung äußert. Die Betroffenen sind gezwungen, ihre Rückmeldung an die Klienten beziehungswahrend zu gestalten und anschlussfähig an bestehende Beziehungsmuster zu sein, was eine hohe Sensibilität im Timing und in der kommunikativen Verpackung erfordert. Inhouse Consultants gestalten daher grundsätzlich Beziehungen, die auf Verlässlichkeit, Vertraulichkeit und professioneller Präsenz beruhen. Eine stabilisierte Beziehungsebene bildet die Voraussetzung dafür, dass kritische Rückmeldungen nicht als Bedrohung wahrgenommen werden, sondern als entwicklungsfördernde Impulse.

Dennoch bleibt es eine Herausforderung, die Beratungssituation so zu gestalten, dass Kritik nicht sanktioniert, sondern als Ausdruck von Unterstützung und Entwicklung verstanden wird. Damit sich die IOB traut, unbefangen an die eigene Institution heranzutreten und deren Vorgesetzte für ihre blinden Flecken oder versäumte Führungsarbeit zu sensibilisieren, müssen beide Seiten an einem sicheren Vertrauensverhältnis interessiert sein und die Position des Anderen durchdringen.

Paradoxienmanagement bedeutet auch, Toleranz für Ambiguität zu fördern – sowohl bei den Beratenden selbst als auch bei ihren internen Kunden. Wenn das (Top-)Management versteht, dass interne Berater manchmal unbequeme Rollen einnehmen (z.B. Advocatus Diaboli spielen, Konflikte offenlegen, unbequeme Wahrheiten aussprechen), ohne dass dies illoyal gemeint ist, entwickelt sich eine Kultur, in der die Besonderheiten der internen Beratung respektiert werden. Dann gehört es zur Organisationskompetenz, Konflikte konstruktiv auszutragen, die sich aus den Spannungen ergeben. Dies erfordert vom Auftraggeber ein Lernen: Anstatt von der internen Beratung Eindeutigkeit zu verlangen („Bist du auf meiner Seite oder nicht?“), gilt es, das Changieren, die Konturlosigkeit und diffuse Zugehörigkeit der IOB als einen eigenen Wert anzuerkennen. Einige Unternehmen haben dies bereits verinnerlicht und geben in den Governance-Regelungen für interne Organisationsentwicklung explizit vor, dass die IOB sowohl dem Auftraggeber als auch den Betroffenen verpflichtet ist. Diese duale Mandatierung ist praktischer Ausdruck eines Sowohl-als-auch auf struktureller Ebene.

Bei großen IOB-Einheiten mit eigener Führungsstruktur obliegt der Rolle der Leitung in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung. Sie ist aufgefordert, die o.g. Widersprüche in der Beobachtung zu halten und bei Bedarf zu moderieren, indem sie bspw. bei Zielkonflikten zwischen Beratungsauftrag und Unternehmensinteresse vermittelnd eingreift, kontinuierlich Räume zur Arbeit an der eigenen Beratungsethik schafft oder Ausweichmöglichkeiten (wie Fortbildungen, Netzwerkarbeit und Fremderfahrungen in anderen Organisationen bspw. durch Nebentätigkeit) ermöglicht.

Fazit

Die interne Beratung hat sich somit von einer experimentellen Exotenrolle (Heintel, 1998) hin zu einem unverzichtbaren Bestandteil moderner Organisationen entwickelt – einem Bestandteil, der permanent im Spannungsfeld operiert, und daraus seine besondere Kraft zieht. Personen der internen Organisationsberatung bewegen sich in widersprüchlichen Erwartungen. Ihre Wirksamkeit hängt wesentlich davon ab, wie geschickt sie diese Paradoxien ausbalancieren. Mit einem reflektierten Rollenverständnis, einer Und-Logik, explizitem Paradoxienmanagement und einer starken professionsethischen Verankerung können intern Beratende die Widersprüche produktiv für Veränderungen nutzen. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur organisationalen Lernfähigkeit und entwickeln sich selbst ständig weiter.

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Und: Wir sind von verschiedenen Organisationen angefragt worden, ob wir nicht eine kuratierte, feste Supervisionsgruppe ausschließlich für Intern-Beratende gründen und leiten könnten. Wenn ihr euch von dieser Idee angesprochen fühlt und die widersprüchliche Rolle der Internen Organisationsberatung gemeinsam mit anderen Kolleg:innen in Fallarbeit praxisnah reflektieren und weiterentwickeln wollt, dann meldet euch bei Franziska Diehl unter diehl@artop.de oder hier.

Seminarleitung:

Franziska DiehlFranziska Diehl, M.A. Kulturmanagement, ist als Beraterin und Mediatorin tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Organisationsentwicklung von privaten wie öffentlichen Unternehmen, die sie über zehn Jahre u.a. auch in der Rolle der internen Organisationsberaterin und Projektmanagerin gestaltet hat.

 

Sebastian Kunert

Dr. Sebastian Kunert, Diplom-Psychologe, ist als Berater, Coach, Trainer und Hochschuldozent tätig. Er beschäftigt sich mit den Themen Führung, Organisationskultur und Strategieentwicklung und lehrt als Hochschuldozent an der Humboldt-Universität zu Berlin.

 

Jonas GörtzJonas Görtz, M.A. Geistes- und Bildungswissenschaften, begleitet als Berater, Moderator und Trainer Teams und Organisationen in Veränderungsprozessen. Weitere fachliche Leidenschaften liegen bei Virtualität, KI und Projektmanagement.

 

Wir freuen uns Sie kennenzulernen und Ihre Fragen zu beantworten! Hier finden Sie die aktuellen Termine unserer Informationsveranstaltungen zur Weiterbildung:

10.11.2025, 17:00 Uhr (online)
07.01.2026, 18:00 Uhr (online)

Für weitere Informationen können Sie sich gerne per E-Mail an akademie@artop.de oder per Telefon unter 030 44 012 99-60 an uns wenden.

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