Science Nuggets

Unsere Vision ist es, Brücken zwischen Forschung und Praxis zu bauen. Eine dieser Brücken ist unser Format Science Nuggets. Mit den kleinen Forschungs-Happen arbeiten wir Erkenntnisse aus unseren Forschungsprojekten so auf, dass Sie einfach verständlich sind und auch direkten Bezug auf Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis nehmen.  

Kann Beratung bleiben, wie sie ist?

Herbert Schober-Ehmer

Krise war immer, auch Konflikte waren schon immer. Aber der gesellschaftlich-historische Kontext der aktuellen Krisenphase unterscheidet sich radikal von den vergangenen Dynamiken. Die Krisenbewältigungskonzepte der vergangenen ca. 300 Jahre waren (mind.) von drei zentralen Ideen getragen: (1) mit dem Postulat der 'Vernunft' kann sich die Menschheit und das Individuum von schicksalhaften Abhängigkeiten befreien, (2) mit technischen Innovationen und industriellen Produktionsbedingungen kann man sich nun tatsächlich die „Erde untertan“ machen, (3) mit der Idee des Kapitalismus, des freien Marktes und des damit verbundenen unbegrenzten Wachstums kann das Versprechen des Fortschrittes realisiert werden. In der Zukunft wird es – zumindest für die nächste Generation – immer besser. Diese Versprechen erodieren nun, die damit verbundenen Kosten übersteigen die Gewinne und mit der Klima-Katastrophe wird unmissverständlich sichtbar, dass diese Fortschrittsideen – trotz gesellschaftlicher Reichtümer -  das zerstören, von dem unser Überleben auf diesem Planeten abhängt.

Wenn Bekanntes und Bewährtes „durcheinanderwirbelt“, wird Vertrautes nicht mehr zu erkennen oder zu entdecken sein. Ob das „Nicht-mehr“ als Verlust bewertet wird, hängt von der jeweiligen Perspektive der Beobachterin, des Beobachters ab. Das, was verloren geht, kann gegenwärtig beobachtet, erlebt und gespürt, also benannt werden; welche Chancen sich jedoch damit für die Zukunft entfalten, was Neues entstehen wird, kann (noch) nicht gesehen, nur (zur Beruhigung) behauptet werden. Ungewissheit pur.

Brüche sind „eigendynamisch“, überfluten, unterminieren ungesteuert Gewissheiten, Brücken des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Insights

In Frage gestellt wird…

  • das Vertrauen in den Ausgleich, das Vertrauen auf eine bessere Zukunft.
  • die „alte“ Zuversicht, den Problemüberschuss – die sich überlagernden und verstärkenden Krisen – überhaupt bewältigen zu können.
  • die Differenzierung der Gesellschaft als funktionalen soziologischen Prozess zu verstehen und das Spaltungsnarrativ bewältigen zu können.
  • die Hoffnung, dass der neoliberale „Rückzug“ in ein narzisstisches Lebenskonzept (Ich-AG)  überwunden wird und „man“ wieder an gemeinsamen Lösungskonzepten arbeiten kann.
  • das Vertrauen in Institutionen und in den demokratischen Prozess einer liberalen Demokratie.
  • die Hoffnung auf eine bessere Balance zwischen ökonomischen Einkommens- und Chancenunterschieden.
  • das kurz wirksame Vertrauen in wissenschaftsbasierte Erkenntnisse.
  • das Vertrauen in ein nachvollziehbares und akzeptiertes Balancieren von Autonomie, der Verantwortung des Individuums und der Verantwortung einer Solidargemeinschaft.
  • das Vertrauen auf einen inhaltlichen Interessensausgleich, auf argumentative Kommunikationsprozesse, in denen Fragen von Befindlichkeit und Identität vernunftbasiert verhandelbar sind.
  • die Zuversicht unseres Wirtschaftssystems, damit Wirtschaftsorganisationen und unser Gesellschaftssystem auf Basis der 17 Sustainable Development Goals der UNO transformieren zu können.
  • die Zuversicht, die Gesellschaft vom Leitmotiv der individuellen und kollektiven Selbst-Entfaltung auf das Leitmotiv der Selbst-Erhaltung (Anpassung) umstellen zu können.
  • die Zuversicht, dass die inhärente innovative Dynamik der modernen kapitalistischen Gesellschaft (Wirtschaft, Technologie, Politik, Bevölkerung) die Zerstörung der Lebensgrundlage in angemessener Zeit bewältigen kann.
  • die Hoffnung, dass unsere politische Steuerung, die eine nachhaltige Klimapolitik vorantreiben will, nicht an kulturellen Grenzen scheitert, wenn „Mäßigung“ – d.h. Veränderung von Konsum- und Lebensgewohnheiten – erforderlich wird.
  • die Hoffnung, dass die während der letzten 300 Jahre entstandenen Strukturen der kapitalistischen Moderne in ein neues, d.h. unbekanntes, noch nicht vertrautes Gesellschaftskonzept transformiert werden könnte, und zwar rasch und radikal.
  • der Stolz auf die Einzigartigkeit unseres Gedächtnisses, unserer Form der Intelligenz, Kreativität und vor allem unserer Entscheidungsfähigkeit (was bedeuten die Fortschritte der KI für die Steuerungsaufgaben von und die Verantwortung in Organisationen).

Takeaways

 

Es werden Pläne geschmiedet, Kinder geboren, Bäume gepflanzt, Häuser gebaut,… Die immanente Kraft des Lebens nähren weiterhin den Glauben, dass sich am Ende doch alles fügt, durch vernünftiges, konsistentes Handeln, durch kausale Mechanismen, durch angemessene Einsichten und durch kognitive Kontrolle. Die „Autopoiese des Lebens“ ist stärker als jedes Narrativ der Verzweiflung. Das Leben weiß um die Kraft und Dynamik der Ungewissheiten. Lebenswille und Lebenslust sind der praktisch wirksame Gegenentwurf zu den gleichzeitig beschworenen apokalyptischen Ängsten, zu den verunsichernden Mehrdeutigkeiten. Und es erhöht sich die Bereitschaft, sich für alternative Lebens- und Gesellschaftskonzepte einzusetzen. In mehr als 140 Ländern waren und sind die Mitglieder der neuen Generation bereit, ihre Vorstellungen und Forderungen auf der Straße zu verdeutlichen.  Eine „ökologische Klasse“ (Bruno Latour) entsteht. Aus dieser Gegenbewegung zur Ohnmacht, ausgestattet mit Ungewissheitskompetenz, werden vertraute Formate der Kommunikation, Koordination und Steuerung für eine neue Selbstermächtigung genutzt.

Beratung kann sich entscheiden, dabei eine stützende Rolle zu spielen. Denn sie weiß um die grundsätzlichen Funktionen, die ein Organisieren erst möglich machen. Hier gilt es, die Forderung in modernen, agilen Organisationen nach Transparenz, Offenheit, Feedback, Befragbarkeit, autonomer Verantwortungsbereitschaft ernst zu nehmen. Also die bisherige Praxis, das Interventionsrepertoire und Formate der Prozessberatung fortzusetzen. Zugleich sollte Beratung nach wie vor Anwalt der Ambivalenz sein, das Spiel mit Paradoxien beherrschen: Beweglichkeit und Stabilität, standardisieren und flexible Antworten zulassen, erneuern und Identitäten erhalten, beschleunigen und entschleunigen, vorwärtsschreiten und innehalten, Hierarchie und Selbstorganisation. Erst das ‚und‘ schafft die Stabilität in der Beweglichkeit, ist die Voraussetzung, um Interessenvielfalt, Widersprüche und Konflikte konstruktiv zu nutzen.

Dies ist eine Zusammenfassung des artop-Kolloquiums vom 23.02.2023 mit Herbert Schober-Ehmer und Dr. Sebastian Kunert.

Das Zusammenspiel von Humor und psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz

PD Dr. Thomas Bachmann

Zahlreiche Studien haben die psychologische Sicherheit als einen der zentralen Bausteine erfolgreicher Teamarbeit identifiziert. Das führt zu der Frage, wie man psychologische Sicherheit in Teams befördern kann. Ein potenzieller Faktor für psychologische Sicherheit, der in der Literatur häufig übersehen wird, ist Humor. Psychologische Sicherheit im Team wird definiert als eine Teamqualität, die den Teammitgliedern die Sicherheit gibt, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Hier kann Humor oder genauer gesagt, der Versuch, humorvoll zu sein, als eine Form der zwischenmenschlichen Risikobereitschaft und somit als ein Prädiktor für psychologische Sicherheit angesehen werden.

Insights

Mit Hilfe eines multimethodischen Ansatzes wurden 36 reale Shared-Leadership-Teams (N = 201 Teammitglieder) in einer virtuellen Umgebung untersucht. Auf Grundlage von Fragebögen sowie Beobachtungsdaten zeigen die Ergebnisse, dass die psychologische Sicherheit eines Teams umso höher ist, je mehr positiver Humor (Humor bezogen auf das Gesamtteam, Dinge, Aufgaben oder Sonstiges etc.) vorherrscht. Andererseits berichteten Teams, die einen hohen Anteil an aggressivem Humor (sich selbst bzw. andere abwerten) aufweisen, über ein geringeres Maß an psychologischer Sicherheit. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Humor in die Liste der etablierten Prädiktoren für psychologische Sicherheit von Teams aufgenommen werden sollte und dass Humor tatsächlich ein wichtiger Faktor für das Arbeitsklima ist, der weiter untersucht werden muss.

Tipps von unseren Berater:innen

Die Studie stellt den Einfluss von positivem Humor auf das Klimas der psychologischen Sicherheit in Teams vor. Sie zeigt, dass Humor, der sich gegen Teammitglieder richtet (aggressiver Humor), dazu führen kann, dass die psychologische Sicherheit abnimmt.

  • Teammitglieder und Führungskräfte sollten lernen, zwischen positivem und aggressivem Humor zu unterscheiden.
  • Teammitglieder und Führungskräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Wahl des Ziels von humorvollen Äußerungen einen wesentlichen Einfluss auf das Teamklima hat. Sie sollten versuchen, ihren Humor auf das gesamte Team, auf die Dinge, an denen sie gemeinsam arbeiten, oder auf Themen, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun haben, zu richten (positiver Humor).
  • Die Rolle von Humor und das Entstehen von psychologischer Sicherheit in Teams sollte auch Gegenstand von Führungskräftetrainings sein.

Dies ist die Zusammenfassung einer bei artop betreuten Masterarbeit:
Köhler, R. (eingereicht am 13. Oktober 2022) How Benign and Aggressive Humor Predict Psychological Safety in Teams. Humboldt-Universität zu Berlin unter Betreuung von PD Dr. Thomas Bachmann und Prof. Dr. Christine Gockel. Forschungsdesign und Datenerhebung unter der Betreuung von Katherina Q. Bravo.

Online-Meetings: Fluch und Segen eines digitalen Kommunikationsformats

Dr. Sebastian Kunert

Team-Besprechungen, Beratungsgespräche und selbst Coachings werden seit der Corona-Pandemie vielfach online durchgeführt. Digital vermittelte Kommunikation ermüdet jedoch viel schneller als Kontakt in Präsenz. Woher kommt die Zoom-fatigue und wie können virtuelle Meetings trotzdem gut gelingen?

Insights

Die Integration verteilt dargestellter Informationen erfordert im Digitalen eine höhere kognitive Kraftanstrengung als in Präsenz. Forschende rund um den Standford-Professor Jeffrey Hancock haben 2020 in einer Studie mit mehr als 10.000 Teilnehmenden die Erschöpfungsphänomene in Zoom empirisch nachweisen können und begründen sie mit der Aussage: „Video Konferenzen erfordern intentionale Aufmerksamkeit, um nonverbale Signale zu erzeugen als auch zu interpretieren, was normalerweise unbewusst und anstrengungslos geschieht.“ Das hat Folgen, wie andere Wissenschaftler:innen belegen konnten. In virtuellen Räumen sind die Teilnehmenden weniger kreativ, körperlich angestrengt, vielfach abgelenkt und wenig auf einander bezogen.

Tipps von unseren Berater:innen

  • Die Mischung machts: Formate, die v.a. kreativen Output generieren oder auf das soziale Miteinander einzahlen sollen, veranstaltet man besser in Präsenz. Treffen, die eher technischer oder administrativer Natur sind, lassen sich gut online umsetzen.
  • Pausen: In online Meetings alle 45min eine Pause, spätestens jedoch nach 1h. Das hilft, die Augen zu schonen, sich zu bewegen und digitalen Ablenkungen nachgehen zu können (Mails, Chats usw.).
  • Regeln: Online meetings brauchen mehr Vereinbarungen als Präsenz-Formate. Absprachen zu Ziele, Agenda, Pausen und Umgang mit Störungen schaffen die nötige Orientierung.
  • Technik: Videokonferenzen mit schlechter Technik sind ein Grauen. Sorgt für Bandbreite, Rechenpower und gute Visualisierungen.

Publikation zum Thema:
Kunert, S. Online-Meetings: Fluch und Segen eines digitalen Kommunikationsformats. Organisationsberat Superv Coach 29, 463–472 (2022). https://doi.org/10.1007/s11613-022-00789-w

Veränderungsprozesse erfordern Spezifität, Oszillation, Integration & Intensität

Dr. Sebastian Kunert & Dr. Stephan Bedenk

Change-Management hat viele Facetten, von der Initiierung über Fragen der Beteiligung bis hin zur Evaluation. Über allem steht die Anforderung einer hinreichend komplexen Planung. Nach welchen Prinzipien setzt man ein Veränderungsprojekt auf? 

Insights

Durch die Verschränkung von Interventionsebenen und -formaten wie Führungscoachings, Teambuilding und Organisationsentwicklungsworkshops erhofft man sich eine potenzierte Wirkung, deren Ausmaß die Summe der Einzeleffekte übersteigt. Die Gefahr liegt in der Überforderung der Organisation durch mangelnde Beherrschbarkeit. Mehrere Interventionsebenen so miteinander zu verzahnen, dass sie sich gegenseitig befruchten statt behindern, ist kein einfaches Unterfangen. Projektarchitekturen sind ein probates Hilfsmittel zur Planung, entlehnt aus dem klassischen Projektmanagement. „Gute Architekturen von Beratungsprozessen erleichtern neue Sichtweisen, ermöglichen vielfältige Perspektiven, führen neue Unterschiede ein und eröffnen neue Beobachtungs- bzw. Reflexionsmöglichkeiten“ fassen es die Autoren Königswieser und Exner zusammen. Acht systemische Prinzipien helfen dabei, ein komplexes Veränderungsprojekt aufzusetzen, vier davon stellen wir hier vor. 

Tipps von unseren Berater:innen

  • Spezifität: Die Versuchung liegt nahe, mit einer one-size-fits-all-Lösung das gesamte Projekt mit demselben Verfahren bzw. mit denselben Beratern zu lösen, um Komplexität aus dem Projekt herauszunehmen. Entwicklungsvorhaben bei Einzelpersonen müssen methodisch jedoch ganz anders angegangen werden als auf der Team- bzw. der Organisationsebene. Erst kommt der Bedarf der Beteiligten, dann die Verknüpfung im Projekt. 
  • Oszillation: In komplexen Organisationsentwicklungsvorhaben ist es enorm wichtig, dass sich die Institution und das Projekt von Zeit zu Zeit gegenseitig darüber unterrichten, welchen Veränderungsprozess sie jeweils gerade durchleben und worauf sie zusteuern. In der Projektarchitektur sollten sich daher divergente Formate der Themenöffnung, Tiefung und Erarbeitung mit konvergenten Methoden, die der Vergemeinschaftung, der Rückmeldung und dem Schließen dienen, abwechseln, wodurch es zu einer Oszillation kommt.  
  • Integration: Gefahr lauert in der Separierung einzelner Teilprojekte. Die Verzahnung sollte in allen Teilsystemen einer Organisationsentwicklung erfolgen. Dies lässt sich bspw. durch personelle Überschneidungen erreichen. So können Gremien mit denselben Personen mehrfach besetzt oder Themen in verschiedenen Formaten bzw. Personenkonstellationen bearbeitet werden.  
  • Intensität: Zu Beginn eines Organisationsentwicklungsprozesses dominieren sehr grundsätzliche Fragen. Thema, Weg, Ziel und Umsetzungsformen müssen gefunden, verifiziert und kommuniziert werden und erfordern anfänglich hohe Intensität, um genügend akzelerierende Kräfte freizusetzen (Lewin, 1947). Die Intensität kann dann im Laufe des Organisationsentwicklungsprozesses sukzessive abnehmen, desto mehr das Neue in den Regelbetrieb integriert ist. 

Publikation zum Thema:
Kunert, S., Bedenk, S. Mehrebenen-Ansätze – Komplexe Projektarchitekturen in der Organisationsentwicklung. Organisationsberat Superv Coach 28, 243–254 (2021). https://doi.org/10.1007/s11613-021-00704-9

Veränderungsprozesse erfordern Phasen, Kaskadierung, Agilität & Irritation

Dr. Sebastian Kunert & Dr. Stephan Bedenk

Change-Management hat viele Facetten, von der Initiierung über Fragen der Beteiligung bis hin zur Evaluation. Über allem steht die Anforderung einer hinreichend komplexen Planung. Nach welchen Prinzipien setzt man ein Veränderungsprojekt auf? 

Insights

Viel hilft nicht immer viel. Die Komplexität eines Programms zur Organisationsentwicklung muss für die Beteiligten handhabbar bleiben, sonst verlieren sie sich im Chaos. Projektarchitekturen erzeugen Überblick, Orientierung und Beherrschbarkeit. Acht systemische Prinzipien helfen dabei, ein komplexes Veränderungsprojekt aufzusetzen, vier davon stellen wir hier vor.

Tipps von unseren Berater:innen

  • Phasen: Was wir gemeinhin als Change bezeichnen, die Bewegung eines Systems hin zu einem erwünschten Soll-Zustand (Move), findet nicht schlagartig statt. Sie ist eingebettet in eine Vorbereitungsphase, die die Bereitschaft und Fähigkeit zur Veränderung erst ermöglicht (Unfreeze), und in eine Phase der Nachhaltigkeitssicherung (Refreeze). Ein solcher Dreischritt aus Vorbereitung, Veränderung und Nachbereitung verläuft keineswegs sequentiell und einmalig ab. 
  • Kaskadierung: Eine häufige Einstiegsfrage bei komplexen Wandelprozessen lautet: Wo fängt man an? Glasl (2020) unterscheidet Top-down von Bottom-up-Ansätze sowie die Mischformen. Der Reiz bei komplexen Projektarchitekturen liegt darin, mehrere Strategien verfolgen zu können. So lassen sich unter der Überschrift einer neuen Innovationskultur ein Leitbildprozess vom Management her, die Entwicklung eines Ideenmanagements aus der Führungsebene sowie ein Organisationsklima-Prozess aus der Belegschaft heraus simultan initiieren. Wichtig ist nur, dass die jeweilige Strategie ihre Entsprechung in der Architektur findet, indem sowohl die notwendigen Formate angelegt als auch die Integration gesichert werden. 
  • Agilität: Jede Architektur ist die Landkarte für ein Gebiet, das die Organisation noch nicht kennen und erst durch das „Tun“ kennenlernen. Sie sind notwendigerweise nur eine Hypothese und können bestenfalls richtungsweisend sein. In diesem Sinne sind sie nicht in Stein gemeißelt, sondern agil. Sie verändern sich mit jeder neuen Erfahrung, die Klienten- und Beratersystem gemeinsam machen. 
  • Irritation: Im Prozess lernen Mitarbeiter/innen einer Organisation sich (z. B. im Coaching), ihr Team (z.B. in Teamworkshops) oder ihre Organisation (z. B. in der Großgruppe) neu kennen. Ein wichtiges Element guter Architekturarbeit ist dabei die abgestimmte Balancierung von Anschlussfähigkeit und Andersartigkeit über den Prozess hinweg. So sollte es einzelne Projektelemente geben, die tendenziell eher das Gewohnte bedienen, um Sicherheit und Vertrauen zu stärken, sowie andere Formate, die der Irritation in all ihren produktiven Formen dienen, ohne jedoch die Organisation zu überfordern.
  • Publikation zum Thema:
    Kunert, S., Bedenk, S. Mehrebenen-Ansätze – Komplexe Projektarchitekturen in der Organisationsentwicklung. Organisationsberat Superv Coach 28, 243–254 (2021). https://doi.org/10.1007/s11613-021-00704-9

    Hatte Elon Musk doch recht? Sollten wir alle zurückkehren in das Prä-Corona Office Setting?

    PD Dr. Thomas Bachmann & Katherina Bravo

    Zur Beantwortung dieser Frage in Bezug auf Teamarbeit untersuchten Bachmann, Bloch und Bravo (2022) in einer Studie 54 Arbeitsteams. Alle Teams waren Teil von Organisationen und existierten seit mindesten einem halben Jahr. Zum Untersuchungszeitpunkt im Jahr 2021 hatten alle bisher umfangreicher Erfahrungen mit der Remote-Arbeit via Zoom etc. gemacht. Für die Studie hatten die Teams die Aufgabe, ein komplexes Problem zu lösen, bei dem es auf intensive Kommunikation und gemeinsames Denken ankam. Dabei wurde die Kommunikation aufgezeichnet, weiterhin mussten vor und nach der Aufgabe einige Fragebögen beantwortet werden.

    Insights

    Der Vergleich zwischen Teams, die remote arbeiteten und denen, die die Aufgabe in Präsenz lösten ergab folgende Unterschiede:

    • Die Mitglieder der Remote-Teams erlebten die Aufgabenbearbeitung als signifikant psychisch und physisch anstrengender und monotoner als die Mitglieder der Präsenzteams
    • In den Remote-Teams war die Anzahl der Redebeiträge signifikant geringer, bei signifikant größerer Dauer gegenüber den Präsenzteams.
    • Die Remote-Teams waren signifikant schlechter bei der Lösungsqualität der Aufgabe gegenüber den Präsenzteams. 

    Tipps von unseren Berater:innen

    Natürlich ist diese Erkenntnis nicht pauschal auf alle Arten von Zusammenarbeit übertragbar. Die Autoren legen nahe, dass vor allem Kommunikationsanlässe, bei denen es auf die Qualität der Interaktion ankommt, wie Situationen, in denen die Gruppe komplexe Probleme lösen, Entscheidungen treffen oder kreative Konzepte entwickeln soll, in Präsenz geplant werden. Wenn solche Anlässe dennoch im virtuellen Raum stattfinden sollen, dann sollte eine kompetente Moderation, ein entsprechendes Workshopdesign oder entsprechende Tools zur Verfügung stehen und den Prozess unterstützen, um die Probleme des Remote-Settings zu kompensieren. 

    Publikation zum Thema:
    Bachmann, T., Bloch, A. & Quispe Bravo, K. (2022). Teamarbeit in Präsenz vs. remote – Unterschiede im individuellen Erleben, der Kommunikation und der Teamleistung.  Organisationsberatung Supervision Coaching. DOI 10.1007/s11613-022-00787-y
    https://doi.org/10.1007/s11613-022-00787-y

    Psychologische Sicherheit und Kommunikationsmuster in Teams. Und was hat das Ganze wirklich mit Team Performance zu tun?

    Katherina Bravo & Matthias Csar

    Jüngste Forschung zeigt, dass Führung eine essenzielle Rolle spielt, wenn es um die Wahrnehmung psychologischer Sicherheit im Team geht. In Anblick der zunehmenden Komplexität entstehen neue Formen der Teamarbeit, wie Selbstorganisation, geteilte Führung oder agile Projektteams. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie psychologische Sicherheit entsteht, wenn Hierarchie abgeschafft wird, Führung dezentralisiert wird und dadurch gruppendynamische Prozesse zu Tage kommen. Und was haben diese gruppendynamischen Prozesse und psychologische Sicherheit dann noch mit Team Performance zu tun?

    Insights

     

    Forschungsergebnisse aus unserer Studie zeigen, dass psychologische Sicherheit beeinflusst, wie aktiv sich Teammitglieder an Gruppendiskussionen beteiligen. Darüber hinaus tragen die eigene Identifikation mit dem Team sowie die individuelle Leistungserwartung maßgeblich zur Entwicklung psychologischer Sicherheit bei. Aus der gruppendynamischen Praxis lernen wir, dass Teams erst einmal gemeinsam einen Weg durch die Unsicherheit beschreiten müssen, um eigene Wahrnehmungen adäquat ansprechen zu können und im Dialog Beziehungszusammenhänge beleuchten und verstehen zu können.  Erst wenn dies gelingt, wird soziale Orientierung in einer Gruppe und das Etablieren eines gemeinsamen psychologisch sicheren Klimas möglich.

    Tipps von unseren Berater:innen

    • Selbstreflexion als Basisfähigkeit: Gewohnheit im Team entwickeln, regelmäßig „über sich selbst nachzudenken“
    • Team Identität stärken: Wer sind wir? Worin unterscheiden wir uns und was vereint uns?
    • Subjektive Teamleistung stärken: Erfolge feiern, über Misserfolge sprechen, gemeinsames Lernen: was können wir beim nächsten Mal besser machen?
    • Neugier für Unsicherheit und Standhalten widersprüchlicher Situationen bzw. Erwartungen
    • Einlassen auf Beziehungsaufbau und -entwicklung bei gleichzeitiger reflexiver Selbstdistanz

    Wie das in der Forschung manchmal so ist: Entgegen unserer Hypothese konnten wir keinen statistischen Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit, Kommunikationsmuster und Team Performance nachweisen. Daher werden wir im nächsten Jahr erneut eine Studie durchführen und weitere Team-relevante Aspekte in Betracht ziehen. Wer Interesse hat an der Studie teilzunehmen, kann sich gerne melden unter forschung@artop.de